Äussern Sie Ihre Bedürfnisse, vielleicht hat niemand etwas dagegen

Bei meinen Kundinnen und Kunden beobachte ich immer wieder, dass sie ihre Bedürfnisse im aktuellen Job zu wenig artikulieren. Sie erwarten, bei ihren Vorgesetzten damit nicht auf Verständnis zu stossen. Tatsächlich plädiere ich dafür, vor allem im Bewerbungsprozess persönliche Anliegen zu verhandeln, da zu diesem Zeitpunkt der Hebel zur Durchsetzung grösser ist. Aber gut argumentiert sind persönliche Bedürfnisse oft auch on the job durchsetzbar; vielleicht noch nie so leicht wie heute.

Peter Näf

Mein Kunde arbeitete bei einer Bank im Produkt Management und führte ein Team von vier Mitarbeitenden. Er war unter anderem für die Entwicklung neuer Produkte verantwortlich. Dieser Teil seiner Aufgaben interessierte ihn am meisten und bewegte ihn seinerzeit zur Übernahme dieser Funktion.

Aufgrund des hektischen Tagesgeschäftes kam er viel zu wenig dazu, sich mit konzeptionellen Aufgaben zu beschäftigen. Wie es der Logik der bekannten Eisenhower-Matrix entspricht, haben ihn die dringlichen Tagesaktualitäten unterschiedlicher Wichtigkeit von der wichtigen, aber nicht unmittelbar dringenden Projektarbeit abgehalten.

B-Aufgaben müssen geplant werden

Die sogenannten B-Aufgaben in der Eisenhower-Matrix, welche zwar wichtig aber nicht dringend sind, können nur durch verlässliche Planung bewältigt werden. Ich fragte meinen Kunden, wie viele Zeitfenster von welcher Länge er pro Woche benötigte, um ungestört an seinen Projekten zu arbeiten. Er nannte mir zwei mal drei Stunden. Ich schlug ihm vor, diese beiden Zeitfenster verbindlich jede Woche in seinem Kalender einzutragen. Zudem solle er während dieser Zeiten sein E-Mail ausschalten, das Sekretariat anweisen, keine Anrufe durchzustellen und seinen Mitarbeitenden zu sagen, dass sie ihn nur stören dürften, wenn das Haus in Flammen stünde.

Dieses Vorgehen war für ihn undenkbar. Er argumentierte, sie pflegten bei der Bank eine Open-Door-Policy und auch gemäss seinem persönlichen Führungsverständnis wolle er für seine Mitarbeitenden immer erreichbar sein. Er erwartete sowohl von seinen Mitarbeitenden als auch seinen Vorgesetzten Widerstände gegen dieses Ansinnen.

Mit guten Argumenten überzeugen

Ich motivierte ihn dazu, die neue Zeitplanung trotzdem umzusetzen und war zuversichtlich, dass alle seine Ansprechpartner dafür Verständnis zeigten, wenn er ihnen seine Beweggründe erläuterte. Zudem ist es Mitarbeitenden zuzumuten, Fragen bei denen sie sich nicht selber helfen könnten, aufzunotieren und gesammelt vorzutragen.

Bis zur nächsten Sitzung hatte er seine neue Arbeitsplanung umgesetzt. Seine Mitarbeitenden und Vorgesetzten hatten nicht nur nichts gegen dieses Vorgehen einzuwenden, sie fanden es sogar eine ausgesprochen gute Idee. Zwei seiner Peers haben es ihm gleich nachgemacht. Denn im Grunde kannten alle das Problem, hartnäckige Pendenzen im Alltag wegen dauernden Unterbrechungen nicht abgearbeitet zu kriegen.

Mit Homeoffice hat sich dieses Problem zwar etwas entschärft, da konzeptionelle Arbeit zu Hause erledigt werden kann. Wobei es auch da ein diszipliniertes Vorgehen braucht, um alle Störungen während der Blockzeiten konsequent auszuschalten.

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