Karriere – Planung oder Design?

Als Karrierecoach bin ich zuweilen mit dem Wunsch von Kundinnen und Kunden konfrontiert, ihre Karriere bis weit in die Zukunft zu planen. Auch in der Literatur wird manchmal empfohlen, man solle das Endziel der Karriere definieren und von da rückwärts in die Gegenwart planen. Ist das realistisch?

Peter Näf

Ein Kunde kam zu mir in die Standortbestimmung mit dem Ziel, seine ganze Karriere zu planen. Er hatte bis zu seiner voraussichtlichen Pensionierung noch 30 Berufsjahre vor sich. Und damit fing das Problem schon an: Ich fragte ihn, wie sicher er sei, dass bei seinem Rückzug aus dem Berufsleben das Pensionsalter noch bei 65 Jahren und nicht bei realistischeren 70 Jahren liegen werde? Dies war nur eine der Unsicherheiten, die wir in der Folge betrachteten.

Eine Karriere ist voll von Unwägbarkeiten

Er hatte in seiner bisherigen Karriere schon den einen oder anderen Wechsel vorgenommen. Grund dafür waren einerseits neu entdeckte Interessen. Andererseits hatten äussere Umstände seine Karriere mitgestaltet, als er zum Bespiel eine Wunschstelle nicht erhalten hatte und sich neu orientierten musste. Wenn er am Beginn seiner Karriere einen Plan gehabt hätte, wäre dieser bei jeder Änderung zu Makulatur geworden.

Ähnliche Veränderungen werden sich in seiner weiteren Karriere ereignen: Neben nicht beherrschbaren äusseren Umständen wie wirtschaftliche und politische Entwicklungen, werden sich auch seine persönlichen Bedürfnisse verändern. Mein Kunde plante, eine Familie zu gründen. Was werden die Auswirkungen auf seine Lebensziele und seine Werte sein?

Kompass statt Landkarte

Und nicht zuletzt durchkreuzen existentielle Ereignisse wie älter werden, Krankheit und Tod unsere Pläne. Aus all diesen Gründen fehlt in der Karriere die wichtigste Voraussetzung für Planung: Stabilität und Verlässlichkeit der Plandaten. Warum funktiniert eine Landkarte als Plan des Geländes? Weil wir davon ausgehen können, dass die Topografie sich so langsam verändert, dass der Plan für eine gewisse Zeit gültig bleibt.

Selbstverständlich setzen wir uns Karriere-Ziele; den Weg dahin lassen wir aber von Vorteil offen, damit wir unterwegs auf Veränderungen reagieren können. Aber selbst die Ziele ändern sich. Darum müssen wir immer wieder überprüfen, ob unsere Karriere-Entwicklung noch den vielleicht geänderten Bedürfnissen entspricht, um nicht da anzukommen, wo wir inzwischen gar nicht mehr hinwollten.

Da wir in der Karrieregestaltung über keine verlässlichen Daten verfügen und nicht nach wissenschaftlichen Methoden eine eindeutige Lösung finden können, ist Design Thinking eine passende Methode. Es aktiviert unsere Kreativität, um unter sich ständig verändernden Voraus-setzungen immer wieder passende Lösungen zu finden.

Für die meisten Menschen sind somit verschiedene Karriereverläufe denkbar und sie brauchen für ihre Navigation keine Landkarte, sondern einen Kompass, der ihnen die Richtung weist.

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