«Psycho» fürs Job-Interview

Von guten Filmen lerne ich viel über Kommunikation. Der Film, den ich in Job-Interviewtrainings am häufigsten zitiere, ist «Psycho» von Alfred Hitchcock. Was denken Sie: Welche Szene beschreibe ich als Beispiel für gelungene Kommunikation? Nein, es ist nicht die Duschszene und auch nicht die Szene, in welcher der Privatdetektiv rückwärts die Treppe runterfällt und mit mehreren Messerstichen ermordet wird. Es ist stattdessen eine Szene, an die sich vermutlich die wenigsten erinnern.

Peter Näf

Mein Kunde erzählte mir auf meine Bitte, mir seine letzte Stelle zu schildern, recht chaotisch von seinem Berufsalltag. Er beschrieb ein anspruchsvolles Projekt, welches er verantwortete. Damit ich einigermassen folgen konnte, streute er immer wieder Zusatzinformationen über das Umfeld sowie seine Funktion in seine Erzählung ein. Im Grossen und Ganzen hatte ich am Schluss seiner Schilderungen die wichtigsten Informationen beisammen, aus denen ich seine Berufserfahrung hätte rekonstruieren können.

Zuhörende brauchen eine klare Struktur

Und damit tat ich, was ich als Interviewer nie tun sollte: ich arbeitete. Aus den Puzzleteilen seiner Schilderungen versuchte ich mir ein Bild zu machen – ohne Erfolg. Dies ist ein häufiger Fehler von Bewerbenden in Job-Interviews: Sie erzählen unstrukturiert und geben zu wenig Kontext.

An dieser Stelle beschreibe ich jeweils die angedeutete Szene aus «Psycho» – es handelt sich um den Anfang des Films. Wir sehen die Skyline einer Stadt. Ein Schriftzug informiert uns: «Phoenix Arizona, Freitag, 11. Dezember, 14.45 Uhr». Dann geht die Kamera langsam auf eine Gruppe von Hochhäusern zu und nimmt ein Gebäude in den Fokus; es handelt sich vermutlich um ein Hotel. Die Kamera nähert sich einem bestimmten Fenster, schlüpft durch den offenen Spalt und wir sehen eine Frau in Unterwäsche auf dem Bett liegen; ein Mann im Tank Top steht daneben. Auf dem Nachttischchen liegt ein in Papier eingewickeltes Sandwich.

Gute Kommunikation ist unauffällig

Die Kamerafahrt von knapp einer Minute Dauer erschliesst uns den ganzen Kontext: Diskretes Schäferstündchen im Stunden-Hotel in der Mittagspause. Anschliessend belauschen wir das Paar und können problemlos folgen, da wir alle benötigten Informationen erhalten haben.

Dieses Heranzoomen aus der Ferne schlage ich meinen Kundinnen und Kunden bei der Beschreibung ihrer beruflichen Erfahrungen vor. Damit entführen sie mich in ihre Welt. Zuerst schildern sie mir das Unternehmen, dann den Geschäftsbereich oder die Abteilung und schliesslich die Funktion. Damit habe ich den Kontext, den ich brauche, um die anschliessende Beschreibung der Tätigkeiten zu verstehen; vorausgesetzt, sie verwenden dafür wieder eine sinnvolle Struktur.

Bewerbende vernachlässigen oft den Kontext, da dieser nicht das Wichtige ist. Aber das Wichtige wird erst im Kontext verständlich.

Und was vermittelt uns die Szene von «Psycho» noch? Es ist wie beim Abendessen im Restaurant oder beim Hören eines Konzertes: wenn alles rund läuft, nehmen wir auch gute Kommunikation nicht bewusst wahr.

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