Von Broschürli, Filmli, Projektli und Lädeli

Im Schweizer Dialekt bilden wir die Verkleinerungsform durch Anhängen von «li» an ein x-beliebiges Wort. Dies funktioniert bekanntlich für fast alle Wörter ausser für Schweizer Franken und Rappen. Was im informellen Austausch putzig wirken mag, ist im Selbstmarketing eine Unsitte, die ich Ihnen dringend empfehle, sich abzugewöhnen.

Peter Näf

Dass die Sprachgepflogenheit der Verniedlichung seltsame Blüten treibt, zeigt sich am Ausdruck, den meine Grossmutter zu gebrauchen pflegte: «Soli» – als Verkleinerungsform des Wortes «so».

Regelrechte Schattengewächse hingegen sind die Verkleinerungen im Storytelling zum Selbstmarketing, sei es für die unternehmensinterne Positionierung oder in der Stellenbewerbung: Eine Kundin erzählte mir im Job-Interviewtraining, dass ihr «Lädeli» im Organigramm umgehängt und direkt dem CFO unterstellt worden sei. Ihr «Lädeli» war nicht etwa die interne Büromaterialstelle, sondern eine Abteilung mit 20 hochspezialisierten Fachkräften, welche sie als Head führte.

Willkommen im (Business) Swissminiatur

Eine andere Kundin schilderte in der Wir-Form von einem «Projektli», in welches sie involviert war. Ich schloss daraus, dass das Projekt unbedeutend und sie eine von mehreren Projektmitarbeitenden gewesen sein musste. Erst durch hartnäckiges Nachfragen erfuhr ich, dass sie die Gesamtverantwortung trug, und dass es sich um ein grosses Projekt mit vielen Projektmitarbeiten-den und noch mehr Schnittstellen handelte.

Eine dritte Kundin schliesslich erzählte mir, dass sie als Fachfremde die Kommunikation einer Abteilung übernommen hatte. Für die interne und externe Positionierung drehte sie «Filmli». Als ich schliesslich das ganze Bild erfragt hatte, hätte ich in den Tisch beissen mögen: Sie hatte als Autodidaktin selbständig Drehbücher geschrieben und mit der Handkamera Filme gedreht, um komplexe, technische Investitionsgüter eines internationalen Unternehmens zu positionieren. Die Filme wurden weltweit an Messen gezeigt. Zudem wurden sie zusammen mit den «Broschürli», die sie auch selbständig erstellte, für Verkaufspräsentationen auf C-Level bei Kunden eingesetzt.

Nur erzählen, nicht bewerten

Dass ich nur Beispiele von Kundinnen anführe, ist weder dem Gendern geschuldet noch Zufall; sie sind bei dieser Gepflogenheit einfach überdurchschnittlich vertreten. Warum ist, was sich harmlos anhört, ein grosses Problem im Selbstmarketing?

Den beruflichen Hintergrund von Menschen zu verstehen und richtig einzuschätzen ist eine Kunst, bei der auch versierte Recruiter nie ausgelernt haben. Woher nehmen sie die Sicherheit, dass Bewerbende über die notwendigen Erfahrungen für eine Stelle verfügen? Von den Kandidatinnen und Kandidaten. Sie müssen sich auf deren Schilderungen verlassen, denn die Bewerbenden dürften schliesslich wissen, was ihre Erfahrungen Wert sind. Wenn sie diese aber aus falsch verstandener Bescheidenheit oder Abneigung gegen Selbstmarketing kleinreden, nehmen Recruiter diese auch als klein wahr.

Sie bestimmen durch Ihre Kommunikation, wie Ihr Gegenüber Sie einschätzt! Hören Sie daher auf, Ihre Erfahrungen zu bewerten. Erzählen Sie diese stattdessen in der nötigen Detaillierung und in Originalgrösse. Das nennt sich dann erfolgreiches Selbstmarketing mit Storytelling.

#jobinterview #selbstmarketing #personalbranding

Weitere Artikel zum Thema

Geben Sie im Job-Interview Informationen, nicht Interpretationen
Die gefährlichsten Fragen im Job-Interview