Wir alle spielen Rollen
Die Rolle ist ein Konzept aus der Soziologie. Sie beschreibt einerseits die Verhaltensbandbreite der Rollenträgerin/des Rollenträgers in einer bestimmten Situation. Andererseits ist die Rolle Ausdruck der Erwartungen des Umfelds an den Rollenträger. Eine erfolgreiche Rollenbesetzung bringt somit die Definition des Rollenträgers mit den Erwartungen seiner Umgebung in Einklang. Viele Menschen lehnen das Konzept ab, weil sie es mit Schauspielerei und fehlender Authentizität verwechseln. Dabei besetzen wir laufend Rollen, ohne es zu bemerken. Wir sind zum Beispiel Kind unserer Eltern, selber Mutter/Vater unserer Kinder, Freunde/Freundinnen und Bekannte. Und wir zeigen in all diesen Rollen unterschiedliche Aspekte unserer Persönlichkeit. Wenn wir eine Rolle erfolgreich einnehmen, legen wir fest, was wir von uns zeigen und bleiben damit authentisch. Rollen vereinfachen das Gruppengeschehen, indem sie Verhaltenswahrscheinlichkeiten festlegen. Sie begrenzen dadurch Überraschungsmomente im Miteinander. Klar definierte Rollen im Unternehmen vereinfachen somit den Umgang mit Arbeitskolleginnen und -kollegen. Sie bieten Schutz und Sicherheit.
Rolle als Thema im Coaching
In der Unternehmensrealität scheint das Rollen-Konzept an Popularität verloren zu haben. Es werden bewusst Hierarchien aufgebrochen, um die Kommunikation über verschiedene Ebenen zu erleichtern. Neben Vorteilen bringt dieses Vorgehen auch gewichtige Nachteile mit sich. Rollen-Konfusion und unklare Zuständigkeiten belasten Mitarbeitende. Da mit den Rollendefinitionen auch die Verhaltenswahrscheinlichkeiten unklar sind, müssen die Menschen im Arbeitsalltag dauernd ihr Verhältnis mit anderen aushandeln. Sie sind damit mit Abgrenzung und (unbewusster) Rollen-Definition beschäftigt, was ermüdet. Dies sind häufige Themen im Coaching. Zum Beispiel geht es bei Führungskräften oft darum, die Führungsrolle zu bestimmen und ein persönliches Führungsverständnis zu entwickeln. Dies vor allem dann, wenn das Unternehmen der ritualisierten Übertragung der Führungsrolle nicht genügend Beachtung geschenkt hat. Das neue Verständnis gilt es dann intern bei verschiedenen Anspruchsgruppen zu kommunizieren und durchzusetzen. Damit werden die Rollen wieder eingeführt. Eine gute Mischung aus Erneuerung überkommener Konzepte und dem Erhalt von deren positiven Anteilen täte also dringend not.