Einer der grössten Fehler von Bewerbenden ist, sich selbst zu bewerten und zu wenig über sich zu erzählen – dies aufgrund der Überzeugung, sie müssten sich verkaufen. Und sie denken, guter Verkauf bedeute zu zeigen, dass sie voll von sich selbst überzeugt sind. Was aber ist das Ziel der Bewerbung? Die Recruiter müssen von Ihnen überzeugt sein. Und vor allem wollen sie sich selbst ein Bild machen.
Anpreisung von Produkten und Emotionalisierung von Kunden durch Verkäuferinnen, die von ihren Produkten und Dienstleistungen überzeugt sind oder scheinen, mögen im Verkauf von günstigen Konsumgütern funktionieren. Aber selbst da gilt es inzwischen als schlechter Verkauf.
Beim Investieren – und Mitarbeitende sind eine teure Investition – herrschen andere Gesetze: Die Recruiter müssen überzeugt sein, dass sich die Investition lohnt und in der mittleren bis längeren Frist einen Ertrag abwerfen wird. Sie wollen sehen, dass Bewerbende die Fähigkeiten mitbringen, den Job erfolgreich zu machen.
Sie erzählen – Recruiter interpretieren
Dazu hatte ich im Rahmen eines Job-Interviewtrainings eine Diskussion mit einem Kunden. Immer wieder beteuerte er, dass er sehr erfahren sei in seinem Gebiet und viele der Kenntnisse mitbringe, die für den Job gefordert würden. Ich versuchte ihm aufzuzeigen, dass dies jeder und jede von sich behaupten könne. Er mit seinen 15 Jahren Erfahrung behaupte zu Recht, er sei sehr erfahren. Die Bewerberin mit 5 Jahren Erfahrung wird für sich das Gleiche beanspruchen und auch sie hat aus ihrer Warte recht.
Nur aufgrund der Beteuerungen der Bewerbenden kann ich als Recruiter keine Unterscheidung treffen. Erst wenn mir beide Bewerbende erzählen, was genau sie gemacht und über welche konkreten Kenntnisse sie verfügen, werde ich zum Schluss kommen, wer von beiden geeigneter ist.
Stories sind die Rohdaten in der Rekrutierung
Leider konnte ich meinen Kunden nicht überzeugen und war schon ganz verzweifelt. Schliesslich gelang es mir mit einer Analogie, meine Idee zu vermitteln:
Mein Kunde war im Marketing tätig und hatte viel mit Daten zu tun. Ich bat ihn, sich folgendes vorzustellen: Er will zu einem bestimmten Thema Erkenntnisse gewinnen und bittet seine Mitarbeitenden, ihm das entsprechende Zahlenmaterial bereit zu stellen. Einige Zeit später erhält er eine zahlenbasierte Auswertung zu genau dem Thema, zu dem er recherchiert. Selbstverständlich wird er damit nicht zufrieden sein: Er will selbst aus den Zahlen seine Schlüsse ziehen; er braucht also Daten und keine Auswertung.
Ihre Geschichten sind die Daten im Bewerbungsgespräch. Halten Sie sich an folgende Rollenverteilung: Als Bewerberin liefern Sie mittels Storytellings die Informationen, welche die Recruiter auf Stellenrelevanz hin interpretieren.
Oder wie der Marketing-Spezialist Seth Godin es ausdrückt: Wenn Sie wollen, dass der Kunde seine Meinung ändert, erzählen Sie ihm eine Geschichte, halten Sie ihm keinen Vortrag. Denn der Prozess des Entdeckens ist stärker, als wenn man ihm die richtige Antwort sagt (Übersetzung aus dem Buch «All marketers are liars tell stories»).