Standardabsagen sind eine Plage für Bewerbende. Wer schon welche erhalten hat, weiss, wie sie auf die Stimmung und das Selbstwertgefühl drücken können. Auch wenn Sie mit sorgfältiger Auswahl der Stellen und mit telefonischen Vorabklärungen die Zahl von Standardabsagen verringern können, sind diese nicht ganz zu vermeiden. Umso wichtiger ist, dass Sie sie richtig interpretieren.
Es gibt für Unternehmen nachvollziehbare Gründe, Standardabsagen zu senden. Zum einen legt die schiere Menge an Bewerbungen aus Effizienzgründen eine Standardisierung nahe. Zudem sind bei einem grossen Rücklauf auf eine Stellenausschreibung viele «Standard-Bewerbungen» enthalten, bei denen sich Bewerbende wenig Mühe gemacht haben. Leider bewerben sich Stellensuchende oft auf zu viele Stellen und setzen auf Quantität statt Qualität.
Aus diesen und weiteren Gründen vermeiden Recruiter Diskussionen mit Bewerbenden, indem sie Absagen wie folgt formulieren: «Vielen Dank für Ihren interessanten Lebenslauf. Wir haben Bewerbungen erhalten, welche den Stellenanforderungen besser entsprechen. Daher…».
Schonen Sie Ihre Stimmung
Diese Formulierung fand eine Kundin immer wieder in Absagen vor. Sie hatte diese dahingehend interpretiert, dass sie für die Stelle nicht genüge. Der Ausdruck «besser geeignete Bewerbungen» hat sie unbewusst frei übersetzt in «bessere Bewerbende». Wenn sie Absagen so interpretiert, wird mit der Zeit ihr Selbstwertgefühl leiden, da sie denkt, sie sei nicht gut genug.
Als ich mir die Inserate der entsprechenden Stellen ansah, konnten die Absagen angesichts ihres guten Erfahrungshintergrundes nur bedeuten, dass Sie überqualifiziert war oder ihr möglicherweise sehr spezifische Kenntnisse fehlten. Die Absagen bedeuteten also in den meisten Fällen: «Sie sind zu gut für diese Stelle».
Es gibt auch Überqualifizierung!
Leider haben viele Bewerbende nicht auf dem Radar, dass sie mit zunehmender Berufserfahrung für immer mehr Stellen überqualifiziert sind. Bei vielen meiner hoch qualifizierten Kundinnen und Kunden ist dies der häufigste Absagegrund.
Oft höre ich den Einwand, die Unternehmen könnten doch froh darüber sein, mehr zu erhalten, als sie verlangten; sie könnten sich damit ein «Schnäppchen» sichern. Genau das kann wiederum ein Grund für Standardabsagen sein: Bewerbende sind erfahrungsgemäss schwer davon zu überzeugen, dass Unternehmen nicht mehr wollen, als sie tatsächlich brauchen.
Ich antworte auf den Einwand wegen dem «Schnäppchen» immer mit einer Analogie: Wenn ich einen Smart kaufen will, um gelegentlich in der Stadt Besorgungen zu machen, will ich keinen Rolls Royce haben. Würde ich ihn geschenkt kriegen, verkaufte ich ihn umgehend, denn: Er ist mir zu teuer im Unterhalt, zu kompliziert zum Fahren und er passt in keinen Parkplatz. Zudem wirkt er ohne Chauffeur furchtbar neureich;-)