Beim Nachdenken über ihre Karrieregestaltung stossen meine Kundinnen und Kunden immer wieder an ihre Grenzen. Wir können und müssen uns viel überlegen, kommen aber ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter. In dieser Situation hilft ein Konzept aus dem Design Thinking: «Prototyping»: Oder wie im Folgenden beschrieben: Job-Research.
Mein Kunde arbeitete seit einigen Jahren als Manager bei einer Schweizer Bank; davor war er seit seinem Studienabschluss während fünf Jahren in der Unternehmensberatung tätig. Wir machten eine Standortbestimmung, um seine nächsten beruflichen Schritte zu bestimmen.
Gegen Ende der Zusammenarbeit haben wir Job-Möglichkeiten ausgearbeitet, die für ihn in Frage kommen könnten. Dabei nannte er unter anderem Spezialist in den Bereichen Venture Capital oder Private Equity. Aufgrund des Eindrucks, den ich von ihm in der Zusammenarbeit gewonnen hatte, äusserte ich Zweifel, ob er wirklich an diesen Geschäftsbereichen interessiert sei.
Erkennen der eigenen Hypothesen
Er war über meine Einwände erstaunt und versicherte mir, dass diese Branchen und Aufgaben ihn schon seit Studienzeiten interessierten. Trotzdem war ich überzeugt, dass er sich falsche Vor-stellungen machte. Ich kannte aus meiner Zeit als Headhunter die Tendenz von Stellensuchenden, diese Fachgebiete zu überhöhen.
Ich schlug ihm daher folgendes Vorgehen vor: Er solle jeweils drei Leute, die in den Bereichen Venture Capital und Private Equity tätig sind, zu ihrem Beruf interviewen. Es handelt sich um wenige Fragen, mit denen Interviewende genügend Informationen gewinnen können um zu erkennen, ob sie das entsprechende Berufsfeld wirklich genügend interessiert, um sich darauf zu bewerben.
Ausprobieren geht nicht mehr
Bis zu unserem nächsten Termin zwei Wochen später hatte mein Kunde tatsächlich sechs Interviews geführt und dabei realisiert, dass seine Vorstellungen der Berufsbilder nicht der Realität entsprachen. Er konnte sie damit verwerfen, was Platz für neue Ideen schaffte. Vor allem aber war er so begeistert von der Methode des Job-Researchs, dass er bereits zur Prüfung neuer Berufsideen Interviewtermine vereinbart hatte.
Vielen Menschen suchen eine berufliche Veränderung, ohne sich vorgängig genügend mit den Realitäten im neuen Beruf auseinandergesetzt zu haben. In den frühen Jahren der Karriere ist das kein Problem; da probieren wir aufgrund ungenügender Kenntnis sowohl unserer Bedürfnisse als auch der beruflichen Anforderungen verschiedenes aus. Mit zunehmender Seniorität werden wir nicht mehr fürs Ausprobieren eingestellt, sondern nur noch fürs Liefern. Daher müssen wir uns die Informationen auf anderem Wege besorgen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Nichtsdestotrotz sind die eigenen Hypothesen unabhängig von ihrer Realitätsnähe ebenso wertvoll für die Karrieregestaltung: Sie geben Aufschluss über unsere Bedürfnisse in Bezug auf den Job-Inhalt und das Job-Umfeld. Aber das ist Thema für einen neuen Artikel.