Eine Kundin in der Standortbestimmung äusserte die entschuldigende Bemerkung, es handle sich bei ihren Karrierethemen ja eigentlich nur um Luxusprobleme – eine Ansicht, die ich von Coachees immer wieder höre. Meine Kundin war hoch qualifiziert und bekleidete eine gut bezahlte Kaderstelle bei einem führenden Unternehmen. Hat sie ein Recht darauf, trotz Privilegierung mit ihrer Situation unzufrieden zu sein?
Würden wir Probleme nur dann als berechtigt anerkennen, wenn es auf der Welt keine Menschen gäbe, deren Probleme grösser sind als die unseren, dann existierten in unseren Breitengraden tatsächlich keine Probleme. Unsere Probleme sind glücklicherweise seltener existentiell, aber sie können es werden, wenn wir uns nicht darum kümmern.
Sehen wir uns die Situation meiner Kundin genauer an: Sie leitete eine Abteilung in einem, attraktiven, zukunftsträchtigen Bereich. Es fehlten Ihr aber klare Ziele und als Macherin vermisste sie sichtbare Resultate und einen erkennbaren Sinn in ihrer Tätigkeit.
Eisenhower-Matrix als Erklärungsansatz
Gleichzeitig hatte die Stelle viele Vorteile: Trotz Umstrukturierungen im Unternehmen war ihre Position nicht gefährdet. Sie hatte Vorgesetzte, die ihr vertrauten und ihr viel Freiheit liessen. Die Arbeitslast war moderat und sie hatte Zeit für die Pflege ihrer privaten Interessen. Viele Menschen würden in dieser Situation verharren und die Privilegien geniessen. Wäre dies ein sinnvoller Weg oder hat meine Kundin recht, sich mit ihrer Situation nicht abzufinden?
Eine mögliche Antwort bietet die bekannte Eisenhower-Matrix mit der Unterscheidung von Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit, die sich auch auf Probleme anwenden lässt. In dieser Betrachtung sind die Probleme meiner Kundin zwar wichtig, aber nicht dringend, vergleichbar mit den sogenannten B-Aufgaben in der Matrix.
Probleme lösen, bevor sie dringend werden
Das Problem der B-Aufgaben besteht darin, dass Menschen sie aufschieben. Regelmässige Bewegung z.B. ist nicht dringend, aber wichtig. Wenn ich heute auf der faulen Haut liege, spielt das für meine Gesundheit keine Rolle. Wenn ich Bequemlichkeit aber zur Gewohnheit mache, werde ich mit der Zeit gesundheitliche Probleme entwickeln. Das wichtige Thema wird dadurch dringend und ich werde gezwungen sein, mich darum zu kümmern.
Meine Kundin könnte ihre nicht dringende berufliche Unzufriedenheit also ignorieren, bis diese akut würde. Sie würde mit der Zeit möglicherweise depressive Verstimmungen oder gar körperliche Beschwerden entwickeln. Zudem würde die lang andauernde Unterforderung ihr Selbstbewusstsein sowie ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit beschädigen.
Dass sie sich ihrer «Luxusprobleme» frühzeitig annimmt, ist also eine Form der Selbstfürsorge und damit selbstverantwortliches Handeln. Zudem ist es nicht nur in ihrem Interesse, sich ihrer Probleme anzunehmen, sondern auch im Interesse der Gesellschaft. Wir profitieren alle davon, wenn hoch qualifizierte Menschen beruflich reüssieren, ihre bestmögliche Wirkung entfalten und damit die Wirtschaft erfolgreich am Laufen halten.
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