Warum Deutschkenntnisse eben doch wichtig sind…

Ein fremdsprachiger Kunde, nennen wir ihn Michael, absolvierte nach dem Studium bei einer internationalen Firma in Zürich ein Trainee-Programm. Sein Arbeitgeber offerierte ihm eine Standortbestimmung bei mir, da er über seine berufliche Ausrichtung unschlüssig war. Ich beriet ihn auf Englisch. Die Firma konnte ihm anschliessend keine ihm zusagende Position anbieten und er war daher auf Stellensuche. Er fragte mich, wie er in dieser Situation in seine Karriere investieren könnte. Meine Antwort missfiel ihm.

Peter Näf

Michael war sehr gut ausgebildet, hatte neben dem Studium viel gearbeitet und überzeugte durch sichere Kommunikation und gutes Auftreten. Sein Arbeitgeber betrachtete ihn zu Recht als High Potential. Zudem war er ehrgeizig und ausserordentlich ungeduldig hinsichtlich seiner Karriereentwicklung.

Auf seine Frage, wie er in seine Karriere investieren könnte, antwortete ich mit einer Gegenfrage: «Beabsichtigst Du, in Zürich zu bleiben?» Nachdem er dies bejahte, riet ich ihm, Deutsch zu lernen. Er hatte dies während der letzten beiden Jahre vernachlässigt.

Die Erfahrungen in Unternehmen täuschen

Michael sah mich an, als hätte ich grad etwas Unanständiges gesagt. Wir hatten dann eine intensive Diskussion zum Thema Deutsch lernen – mit wenig Übereinstimmung. Das Gespräch sowie seine heftige Reaktion irritierten mich und ich frage mich, ob ich in diesem Thema etwas übersehe. Dies vor allem, weil ich ähnliche Diskussionen immer wieder führe und auf erheblichen Widerstand stosse. Sogar Personen, die seit Jahren in der Schweiz wohnen und deren Kinder Schweizerdeutsch sprechen, sind oft nicht davon zu überzeugen, Deutsch zu lernen.

Dass ich mit meiner Einschätzung nicht ganz daneben lag, zeigte sich wenige Wochen später bei zwei Kunden im Outplacement: Sie waren seit vielen Jahren in einem internationalen Unternehmen tätig. Da die Unternehmenssprache Englisch war und die Schweizer oft lieber Englisch sprechen als Hochdeutsch, waren sie nicht gezwungen, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.

Als sie ihre Stelle verloren, wurden auch bei den internationalen Konkurrenz-Unternehmen keine Leute eingestellt. Meine Kunden bewarben sich daher bei exportorientierten Schweizer KMU. Obwohl sie für verschiedene Stellen optimal gepasst hätten, kamen sie wegen fehlenden Deutschkenntnissen – guten, nicht perfekten – nicht in Frage. Sie bewegten sich also auf einem eingeschränkten Arbeitsmarkt, was sie hätten vermeiden können.

Es braucht ein Effort von allen Seiten

Unternehmen täten gut daran, ihre fremdsprachigen Mitarbeitenden anzuhalten, Deutsch zu lernen. Dies würde die Zusammenarbeit im Unternehmen erleichtern, zumal der informelle Informationsaustausch oft auf Deutsch erfolgt. Vor allem aber würden sie ihre Arbeitsmarktfähigkeit verbessern resp. erhalten. Und die deutsch sprechenden Mitarbeitenden dürften ihren fremdsprachigen Arbeitskolleginnen und -kollegen den Spracherwerb erleichtern, indem sie sich dazu überwänden, mit ihnen Hochdeutsch, anstatt Englisch zu sprechen.

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