Schweigen auszuhalten ist für die meisten Menschen etwas vom Schwierigsten. Wie ich im Artikel «Die gefährlichsten Fragen im Job-Interview» geschildert habe, war dies eine meiner härtesten Lektionen als Headhunter. Es zu beherrschen hat meine Arbeit auf eine neue Stufe gehoben. Auch Sie als Bewerberin oder Bewerber werden erfolgreicher im Job-Interview, wenn Sie lernen, im entscheidenden Moment den Mund zu halten.
Auf die Wichtigkeit für Bewerbende, Ruhe auszuhalten bin ich per Zufall gestossen: Mit zunehmender Sicherheit im Führen von Job-Interviews hatte ich als Personalberater aufgehört, meine nächste Frage bereits vorzubereiten, während die Kandidatinnen und Kandidaten noch die vorherige Frage beantworteten. Dadurch entstand jeweils eine Pause zwischen dem Ende der Antwort der Bewerbenden und meiner nächsten Frage. Zu meiner Überraschung haben die Bewerbenden dieses Vakuum meist gefüllt, indem sie – wie ich es nenne – nachlieferten.
Die Unsicherheit ist eine Plaudertasche
Und meistens haben sie ihre erste gute Antwort durch ihre Ergänzungen entwertet. Wie ist das möglich? Mein Schweigen verunsicherte anscheinend die Bewerbenden und sie deuteten es dahingehend, dass ich ihre Antwort in Frage stellte oder mehr Information wünschte.
Eine typische Situation war die Frage nach dem Kündigungsgrund bei der letzten Stelle. Oft war die erste Antwort nachvollziehbar; erfahrungsgemäss interessiert der Grund die Recruiter ohnehin weit weniger, als Bewerbende befürchten. Die in vorauseilendem Gehorsam formulierte zweite Antwort enthielt dann meistens eine Rechtfertigung, die mir Tür und Tor für forschende Nachfragen öffnete.
Die Macht des Pokerface
Heute sehe ich meine Kundinnen und Kunden im Job-Interviewtraining nach ihrer Antwort auf meine Frage oft einfach an. Meist erhalte ich dann die interessantesten Informationen, nach denen ich nicht gefragt habe und die Bewerbende auch besser nicht zum Besten gäben. Wie können Sie in dieser Situation besser reagieren?
Blicken Sie einfach zurück; Sie dürfen auch lächeln! Voraussetzung ist allerdings, dass Sie die Frage gut beantwortet haben. Dies ist nur möglich mit einer gründlichen Interviewvorbereitung. Wenn Ihre Interviewenden noch mehr wissen wollen, können sie fragen. Falls Sie gute Nerven haben, blicken Sie fragend zurück. Damit verunsichern Sie Interviewende, die ihrerseits nicht gelernt haben, Ruhe auszuhalten und sogleich ihre nächste Frage stellen werden, um die peinliche Stille zur übertönen.
Betrachten Sie Job-Interviews als Spiel. Machen Sie Ihre Züge immer bewusst und lassen Sie sich nie in die Karten blicken. Wenn Sie sich nicht verunsichern lassen und taktisch schweigen, werden ihre Interviewenden Ihr Blatt nicht unterschätzen.
Schon der Philosoph Boethius wusste im 4. Jahrhundert nach Christus um die Macht des Schweigens, als er schrieb: «Hättest Du geschwiegen, wärest Du ein Philosoph geblieben.»
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