7-mal in letzter Runde, 7-mal eine Absage

«Mein Ziel beim Bewerben ist es, zu möglichst vielen Bewerbungsgesprächen eingeladen zu werden!» Dieser Aussage würden viele Bewerbende zustimmen. Aber ist das ein sinnvolles Ziel? In dieser Absolutheit verneine ich es klar, wie folgendes Beispiel illustriert.

Peter Näf

Eine Kundin rief mich an und erzählte mir verzweifelt, sie sei zum siebten Mal bei einer Bewerbung in die letzte Runde gekommen und habe die Stelle dann nicht erhalten. Sie ist eine hoch qualifizierte Bewerberin mit einer erfolgreichen Karriere. Ein Bewerbungsprozess auf ihrer Stufe ist aufwändig und umfasst mehrere Gesprächsrunden, Präsentationen, Fallstudien und zum Teil ganztätige Assessment Centers.

Sie war zwei Jahre früher bei mir im Coaching und wir hatten ihre Bewerbungsunterlagen optimiert. Ich bat sie, mir eine der Bewerbungen zuzusenden.

Lebensläufe verwischen

Zu meinem Erstaunen konnte ich meine früheren Inputs im Lebenslauf nicht erkennen. Auch konnte ich ihren Werdegang aufgrund Ihrer Schilderungen nicht nachvollziehen. Ich äußerte meinen Verdacht, dass sie ihre umfassende Verantwortung in den verschiedenen Stellen kleingeschrieben habe. Sie bestätigte, dass sie aus Angst, keine neue Stelle zu finden, sich als weniger qualifiziert dargestellt hatte, um für mehr Stellen in Frage zu kommen. Dies ist leider eine weit verbreitete Vorgehensweise.

Was passiert, wenn meine Kundin so vorgeht? Auch wenn der Lebenslauf nicht verständlich ist, erkennen Recruiter, dass es sich um eine interessante Kandidatin handelt. Sie laden sie also zu einem Job-Interview ein in der Hoffnung, sie im Gespräch besser kennen zu lernen.

Stehen Sie zu sich – auch wenn Sie top sind

Aufgrund ihrer Angst hat die Kandidatin ihre Strategie beibehalten und auch im Gespräch mit ihrer Erfahrung hinter dem Berg gehalten. Bei Top-Bewerbenden scheuen sich viele Recruiter nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Schliesslich wollen sie nicht als schwer von Begriff erscheinen und sie möchten Bewerbende nicht verärgern. So kommen sie zum Schluss, dass die Kandidatin interessant sei, auch wenn sie immer noch nicht schlau aus ihr geworden sind. Daher laden sie sie in weitere Gespräche ein. Und so geht es weiter bis zur letzten Runde. Und dann wird ihr eine andere Kandidatin vorgezogen, von der sich die Interviewer ein klares Bild machen konnten. Oder sie haben schliesslich herausgefunden, dass meine Kundin für die Stelle nicht optimal oder gar überqualifiziert war.

Daher mein Rat: Stellen Sie sicher, dass Sie schon früh im Bewerbungsprozess aussortiert werden, wenn Sie für eine Stelle nicht in Frage kommen. Dies erreichen Sie, wenn Sie sich im gesamten Bewerbungsprozess als die Person zeigen, die Sie sind. Damit ersparen Sie sich und dem Unternehmen Zeit. Und vor allem ersparen Sie sich selber viel Frustration.

Ein sinnvolles Ziel für Ihre Bewerbungen lautet also: «Ich will zu möglichst vielen Bewerbungsgesprächen eingeladen werden für Stellen, die mich wirklich interessieren und für die ich auch in Frage komme.»

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