Lesen Sie eine Homepage vollständig von links oben nach rechts unten und klicken dann auf die nächste Seite, um in gleicher Weise fortzufahren? Natürlich nicht! Stattdessen wissen Sie, was Sie suchen und screenen mit Ihren Augen, bis Sie es finden. Und was tun Sie, wenn Sie nicht schnell genug fündig werden? Sie gehen zur nächsten Homepage. Nehmen Sie sich dieses Vorgehen als Bild dafür, wie Recruiter Ihre Bewerbungsunterlagen lesen.
Ich hatte eine meiner häufigen Diskussionen mit einer Kundin, die darauf beharrte, ihre persönlichen Daten nicht auf die erste Seite des Lebenslaufes zu setzen. Damit wollte sie die Recruiter dazu zu bringen, sich zuerst ihre fachlichen Qualifikationen anzusehen. Auch bestand sie auf ihren fett markierten Schlagworten, damit Recruiter wüssten, worauf sie zu achten hätten.
Nun sind es (noch immer) Menschen, die Ihre Bewerbungsunterlagen lesen. Und Menschen sind eigensinnige Wesen, die nicht lesen, was Sie ihnen vorsetzen, sondern suchen, was sie interessiert. Wenn Sie Ihre Bewerbungsunterlagen lesefreundlich gestalten wollen – was ich Ihnen empfehle – dann stellen Sie sicher, dass die Leserinnen so schnell wie möglich finden, wonach sie suchen. Und vor allem überlassen Sie ihnen die Entscheidung, wofür sie sich interessieren, denn das können Sie nicht wissen.
Recruiter haben eigene Vorgehensweisen
Warum zum Beispiel rate ich Ihnen, die persönlichen Daten an den Anfang zu stellen? Zum einen suchen Unternehmen keine abstrakten Profile, sondern Menschen mit bestimmten Erfahrungen und Kenntnissen. Daher ist es eine Frage der Wertschätzung, dass wir zuerst mit dem Menschen in Kontakt kommen und nicht mit seinem Profil. Zudem entscheiden einige persönliche Daten darüber, ob Recruiter weiterlesen oder nicht: Hat die Bewerberin eine gültige Arbeitsbewilligung oder wie alt – resp. wie «Senior» – ist die Person, die sich für eine Junior-Funktion bewirbt.
Ich hatte als Headhunter meine eigene Reihenfolge, in der ich Informationen in den Bewerbungsunterlagen suchte, um mir ein Bild der Bewerbenden zu machen. Jede versuchte Steuerung meiner Aufmerksamkeit durch die Bewerbenden lenkte mich von effizientem Arbeiten ab. Dies konnte dazu führen, dass ich wichtige Informationen übersah.
Zudem sind die kleinen Tricks zur Aufmerksamkeitssteuerung jedem einigermassen erfahrenen Recruiter wohlbekannt.
Im Job-Interview funktioniert es ähnlich
Ein Klassiker ist, dass reifere Bewerbende ihr Geburtsdatum verschämt ganz am Schluss des Lebenslaufes anbringen oder es gar weglassen. Raten Sie mal, was ich dann tat: Ich vermutete aus Erfahrung, dass der Bewerber über 50 Jahre alt ist und überprüfte meine Hypothese, indem ich zuerst die Zeugnisse konsultierte.
Wie ich im Artikel «Von Bewerbungsgesprächen und Gorillas» ausführte, funktioniert es im Job-Interview gleich: Bewerbende versuchen, wichtige Informationen im Gespräch zu platzieren. Tun sie es aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt, gehen die Informationen verloren. Denn auch im Bewerbungsgespräch hören Interviewende nur, was ihre Fragen beantwortet.