Im Coaching äussern junge Führungskräfte oft das Bedürfnis nach klaren Rezepten in der Führung. Dies ist verständlich, möchten sie doch möglichst keine Fehler machen. Die vielen vorhandenen Führungstheorien bieten allerdings wenig Hilfe; vor allem auch deshalb nicht, weil die Persönlichkeit der Führungskraft selten Teil der Betrachtungen ist.
Einige Theorien sehen bestimmte Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale als Voraussetzung für Führungserfolg, zum Beispiel Charisma – was immer man darunter verstehen mag.
Andere Ansätze sehen Führungserfolg auch von den Rahmenbedingungen abhängig, in denen sich Vorgesetzte und Mitarbeitende befinden: persönliche Beziehung, Aufgabenstruktur oder Positionsmacht. Selten wird davon gesprochen, dass unterschiedliche Führungsstile zum Erfolg führen können und dass diese von der Persönlichkeit der Führungskraft abhängen.
Persönlicher Führungsstil
Dabei scheint mir naheliegend, dass eine begeisterungsfähige, extravertierte, selbstbewusste Vorgesetzte in der identischen Situation mit den gleichen Mitarbeitenden anders führen wird als eine zurückhaltende, introvertierte und selbstkritische Person. Aufgrund eines hartnäckigen Führungsstereotyps gemäss oben erwähnten Führungstheorien wird von vielen nur die erstgenannte Person für Führung als geeignet angesehen. Nicht diesem Stereotyp entsprechende Personen nehmen sich daher oft selbst aus dem Rennen um eine Führungsposition. Das ist bedauerlich.
Wie man dieser Versuchung mit einem Schuss Humor begegnen kann, demonstrierte mir vor einigen Jahren eine Kundin: Elsa (Name geändert) wurde von ihrem Unternehmen eine Standortbestimmung bei mir offeriert.
Es hilft, sich nicht allzu ernst zu nehmen
In der Zeit unserer Zusammenarbeit erhielt sie unternehmensintern ein Angebot zur Übernahme ihrer ersten Führungsrolle. Wir haben daher die Persönlichkeitsanalyse erweitert um die Frage nach ihrem persönlichen Führungsstil. Das Ergebnis war eine Mischung aus natürlichen Führungsstärken aber auch Herausforderungen, an denen sie noch zu arbeiten hatte.
In unsere letzte Sitzung brachte Elsa ein kleines Booklet über sich selbst mit. Sie erzählte mir, dass sie sich ihrem Team vorstellen werde, indem sie ihnen diese «Gebrauchsanweisung» für den Umgang mit ihr präsentiere. Sie erläuterte darin zum Beispiel, dass sie als introvertierte
Person im Stress distanziert erscheinen könne, was nicht persönlich zu nehmen sein. Denn: wenn sie etwas störe, würde sie sich deutlich äussern – sie sei nämlich auch direkt. Dadurch könne sie in der Hitze des Gefechts auch mal übers Ziel hinausschiessen, worauf ihre Mitarbeitenden sie bitte ansprechen möchten.
Einige Wochen später erzählte mir Elsa, ihre neuen Mitarbeitenden hätten ihren Ausführungen mit offenem Mund gelauscht und ihren Ohren nicht getraut. Eine Vorgesetzte mit Stärken und eingestandenen Schwächen – das hatten sie noch nicht erlebt. Selbstverständlich hatte sie alle ihre Mitarbeitenden vom Tag eins an auf ihrer Seite und bildete mit ihnen ein schlagkräftiges Team in einer offenen und vertrauensvollen Atmosphäre.
#standortbestimmung #personalbranding #fuehrungscoaching
Weitere Artikel zum Thema
Umgeben von Idioten
Und immer noch Idioten, wohin das Auge reicht…