Im Artikel «Warum ich keine Persönlichkeitstests einsetze» habe ich beschrieben, warum ich für die Erkenntnis der persönlichen Stärken die Selbstbeobachtung durch Storytelling der Fremdeinschätzung via Tests vorziehe. Können wir aber in der Selbstbeobachtung alle unsere Stärken erkennen?
Für die Selbsterkenntnis ist es unerlässlich die persönlichen Stärken auch selbst zu sehen. Dies erreichen wir, indem wir uns unsere persönlichen Geschichten erzählen. Im Storytelling erinnern wir uns an Erlebnisse und lassen diese wie einen Film vor unserem geistigen Auge ablaufen. Wir beobachten uns dabei selbst aus der Position einer dritten Person und sehen dadurch unsere Stärken, wie dies vertraute Menschen tun, die wir um Feedback bitten.
Da wir mit den gleichen Geschichten, mit denen wir unsere Stärken erkennen, diese auch kommunizieren, ist Storytelling ein effizientes Mittel sowohl zur Stärkung des Selbstbewusstseins als zur Verbesserung des Selbstmarketings.
Natürliche und erworbene Stärken
Das Problem dabei ist, dass wir gerade unsere grössten Stärken oft nicht sehen können. Was ist der Grund dafür? Ich unterscheide bei der Persönlichkeitsanalyse im Rahmen der beruflichen Standortbestimmung zwischen natürlichen und erworbenen Stärken. Wenn ich früher als Headhunter junge Stellensuchende nach ihren Stärken fragte, nannten sie mir oft die Fähigkeiten, die sie sich hart erarbeitet hatten und auf die sie daher besonders stolz waren. Dies sind zwar auch Stärken, allerdings erworbene. Die natürlichen Stärken sind die, welche wir als persönliche Anlagen mitbekommen haben.
Ich zum Beispiel bin eine ausgleichende Person und war daher immer gut im Vermitteln zwischen Parteien. Konfrontieren hingegen fiel mir schwer. Inzwischen habe ich es gelernt, aber da es eine erworbene Stärke ist, kostet es mich Energie und ich muss es bewusst und vorbereitet tun. Die Anwendung der natürlichen Stärken hingegen ist uns nicht bewusst, da es sich eher so anfühlt, als würde etwas mit uns geschehen, als dass wir aktiv handeln. Solange diese Stärken uns selbstverständlich erscheinen, können wir sie in unseren Geschichten selbst nicht erkennen.
Wir nehmen uns zu selbstverständlich
Daher macht es Sinn, Menschen in unserem privaten oder beruflichen Umfeld nach ihren Eindrücken zu fragen. Sie erkennen unsere Qualitäten, da sie diese nicht als selbstverständlich wahrnehmen. Das bekannte Vorgehen, für die Selbsterkenntnis Fremdbilder einzuholen, hat also weiterhin seine Berechtigung. Wichtig ist allerdings, wie Sie fragen. Wenn Sie nach Stärken und Schwächen fragen, erhalten Sie Interpretationen. Fragen Sie daher, was Ihre Feedback-Geber bei Ihnen beobachten. Und wenn Sie Ihr eigenes Verhalten anhand des Feedbacks auch selbst sehen, schliessen Sie daraus auf Ihre natürlichen Stärken.
Und warum ist die Unterscheidung zwischen natürlichen und erworbenen Stärken wichtig? Weil unsere Energie mit zunehmendem Alter abnimmt. Wir sollten daher in unserer Karriere immer mehr auf unseren natürlichen Stärken funktionieren können, wie ich es im Artikel «energieschonendes Arbeiten 60plus» beschrieben habe.
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