Tun und Reden sind verschiedene Bewusstseinszustände

Meiner Erfahrungen nach sind die meisten Bewerbenden nicht ausreichend auf Job-Interviews vorbereitet. Und dies, obwohl einige von ihnen mehrere Stunden auf die Vorbereitung verwenden: Sie recherchieren über das Unternehmen, bei dem sie sich beworben haben, lesen Presseartikel – manche studieren sogar die Geschäftsberichte der letzten Jahre. Doch das Wichtigste bereiten sie nicht vor.

Peter Näf

Eines meiner letzten Job-Interviews, das ich als Kandidat geführt habe, habe ich gründlich verhauen. Fast keine Frage der Recruiter und Hiring Manager konnte ich gut beantworten. Zwischendurch hatte ich sogar Aussetzer. Es war demütigend. Als ich nach dem Gespräch geknickt die Treppe beim Unternehmen hinunterschlich, kam mir auf einmal alles in den Sinn: Viele der Erfahrungen, über welche die Interviewer mich befragten, hatte ich gemacht. Zu den meisten Fragen hätte ich gute Antworten gehabt. Aber warum kamen sie mir während des Gesprächs nicht in den Sinn?

Ich erinnere mich, dass ich wenig vorbereitet in Bewerbungsgespräche ging im festen Glauben, die Fragen gut beantworten zu können. Denn es ging ja um mich – und auf dem Thema war ich schliesslich der unschlagbare Spezialist! Zudem dachte ich, dass gute Vorbereitung Spontaneität und Authentizität im Gespräch verhindere. Das Gegenteil all dieser Annahmen ist richtig.

Erfolgreiches Tun ist meist unbewusst…

Im Artikel «Hoch leben die Praktikerinnen» habe ich beschrieben, dass oft die besten Praktiker die schlechtesten Selbstvermarkter sind. Und warum das? Weil wir Menschen so konstruiert sind, dass wir Tätigkeiten, die wir mehrmals ausführen, au-tomatisieren und damit unbewusst ausführen. So funktioniert auch das schulische Lernen durch Wiederholung. Die Automatisierung schont unseren begrenzten Arbeitsspeicher im Gehirn, der dadurch für neue Herausforderungen zur Verfügung steht.

Je versierter wir in einem Bereich sind, desto unbewusster agieren wir also. Dies ist mit ein Grund, warum Menschen 50plus sich oft defizitär vorkommen: Sie sehen bei jüngeren Menschen, was sie selbst nicht mehr können, und übersehen dabei die über viele Jahre der Praxis erworbenen unbewussten Kompetenzen (siehe Artikel « 50plus – (selbst-) unterschätztes Potential»).

…gute Kommunikation hingegen bewusst

Und was zeichnet gute Kommunikation aus? Genau das Gegenteil: Bewusstheit! Das ist die Herausforderung in der Bewerbung: Recruiter und Hiring Manager möchten Sie gerne bei der Arbeit beobachten. Gleichzeitig ist der Modus des Tuns bei den Bewerbenden dafür gänzlich ungeeignet. Wenn Sie im Bewerbungsgespräch überzeugen wollen, müssen Sie Ihren Bewusstseinszustand wechseln vom Tun ins Reden. Durch gute Geschichten ermöglichen Sie es Ihren Gesprächspartnern, Ihnen mit dem geistigen Auge bei der Arbeit zuzusehen.

Ihre wichtigste Vorbereitung auf Job-Interviews ist somit die Vorbereitung über Sie selbst. Durchforsten Sie also zusätzlich zu den Jahresberichten Ihres potenziellen künftigen Arbeitgebers auch die Jahresberichte Ihrer Ich-AG. Suchen Sie darin nach stellenrelevanten Erfolgen sowie erzählenswerten Geschichten und bereiten Sie diese für das Job-Interview vor.

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