Unterscheidung von Schuld
Verantwortung geniesst im Coaching einen hohen Stellenwert; sie ist eigentlich eine Voraussetzung dafür. Kundinnen und Kunden übernehmen Verantwortung für ihre aktuelle Situation. Dabei spielt keine Rolle, wer alles an deren Entstehung beteiligt war. Es gilt dabei zwischen Verantwortung und Schuld zu unterscheiden. Die Kundinnen und Kunden entscheiden sich dafür, auf eine bestimmte Situation zu antworten, auch wenn aus einer gängigen Betrachtung von Verursachung oder Schuld geradesogut eine andere Person darauf antworten könnte. Im Coaching geht es also darum, den eigenen Anteil an der Situation anzuerkennen und etwas daran zu ändern. Diese Vorgehensweise steht im Gegensatz zum Verhalten von Menschen, die darauf wartet, dass andere etwas unternehmen. Oder sie warten ab, ob sich die Situation von selbst verbessert. Durch die Übernahme von Verantwortung verabschieden sich Menschen aus einer Opferrolle. Sie fühlen sich selbstwirksam und mächtig im wahrsten Sinne des Wortes. Dies bringt wirkliche Veränderung und stärkt auch ihr Selbstbewusstsein.
Wann soll ich Verantwortung übernehmen?
Es ist aber nicht immer angezeigt, Verantwortung zu übernehmen. Gerne illustriere ich dies anhand von zwei Situationen, denen ich oft im Coaching begegne. In der ersten Situation leiden Mitarbeitende unter Führungsdefiziten ihrer Vorgesetzten. Sie erwarten, dass diese sich anders verhalten. Diese Erwartung ist verständlich, aber unrealistisch. In dieser Konstellation rate ich den Coachees, Verantwortung zu übernehmen. Durch eigene Verhaltensänderung können sie das Verhalten der Vorgesetzten beeinflussen und damit ihre Situation verbessern. In der zweiten Konstellation nehmen Vorgesetzten ihre Aufgaben nicht vollumfänglich wahr. Verantwortungsbewusste Mitarbeitende springen dann in die Lücke. Sie übernehmen unaufgefordert Zusatzaufgaben ausserhalb ihres Pflichtenhefts, oft ohne es zu merken. In dieser Situation rate ich davon ab, Verantwortung zu übernehmen. Denn es ist oft ein Grund für Burnout, wenn Mitarbeitende Aufgaben übernehmen, für die sie nicht die Positionsmacht haben und für die sie bei Erfolg keine Anerkennung erhalten. Zudem schützen sie damit schwache Vorgesetzte.