Mitarbeitende harren oft in belastenden beruflichen Situationen aus im Glauben, sie müssten in jedem Umfeld erfolgreich sein können. Wenn sie sich schliesslich erschöpft haben, können die Selbstbewussten das Unternehmen nur verlassen mit der Überzeugung, das Umfeld sei schlecht. Die Selbstkritischen hingegen werden mit dem Gefühl weiterziehen, sie hätten versagt. Auch wenn Kritik an Unternehmen oft angebracht ist und Selbstkritik ohnehin zu empfehlen, wäre die Interpretation oft viel einfacher: Wir passten einfach nicht zusammen.
In der Standortbestimmung stelle ich meinen Coachees immer die Frage: «Sind Menschen unterschiedlich?». Meistens ernte ich einen erstaunten oder leicht missbilligenden Blick für diese vermeintlich rhetorische Frage. Ich meine sie aber nicht rhetorisch. Vom Verstand her antworten immer alle, natürlich seien Menschen unterschiedlich. Wenn wir uns anschliessend mit der Persönlichkeit und den Stärken meiner Kundinnen und Kunden befassen, nehmen sich viele aber als selbstverständlich wahr und können daher ihre eigenen Stärken nicht als solche erkennen.
Da sie also unbewusst davon ausgehen, alle Menschen seien gleich, nähmen die Realität identisch wahr und hätten dieselben Bedürfnisse, sind sie irritiert, wenn sie mit anderen Charakteren zusammenkommen.
Erkennen Sie Ihre Bedürfnisse
Vermutlich prüfen aus diesem Grund viele Bewerbende zu wenig, ob sie in ein Unternehmen passen oder nicht. Auf meine Aufforderung, nicht nur den Job-Inhalt, sondern auch das Job-Umfeld kritisch zu betrachten, äussern viele die Ansicht, da müsse man halt Glück haben. Das Umfeld sei eine Blackbox und im Bewerbungsgespräch nicht überprüfbar. Genauso wie Sie Ihr Interesse am Job-Inhalt durch Fragen eruieren, können Sie auch das Umfeld sondieren. Voraussetzung dafür ist, dass Sie wissen, was Ihnen wichtig ist.
Die Unternehmen sind in diesem Punkt gründlicher: Eine professionelle Rekrutierung prüft sowohl die fachliche Eignung von Bewerbenden als auch deren kulturelle Passung. Ersteres übernehmen im Rekrutierungsprozess meist die Hiring Manager, letzteres die Personalverantwortlichen.
Gehen Sie vor wie professionelle Recruiter
Ein mir bekanntes Unternehmen räumt der Unternehmenskultur einen so hohen Stellenwert ein, dass es in der ersten Rekrutierungsrunde ausschliesslich die persönliche Übereinstimmung zwischen Bewerbenden und Unternehmen prüft. Sollten Bewerbende – gesuchte Fachkräfte – von Persönlichkeit und Wertvorstellungen nicht ins Unternehmen passen, erhalten sie ungeachtet ihrer fachlichen Qualifikationen eine Absage.
In diesem Unternehmen hat die Rekrutierung den Stellenwert, der ihr gebührt. Viele Massnahmen wie Konfliktmanagement und Coaching entfallen, wenn die Rekrutierung ihre Hausaufgaben macht. Nicht von ungefähr hat das Unternehmen eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und eine geringe Fluktuation; und dies, obwohl es nicht die höchsten Löhne im Markt bezahlt.
Wenn wir von Unterschiedlichkeit ausgehen, akzeptieren wir, dass möglicherweise weder mit mir noch dem Umfeld etwas nicht stimmt, wenn wir nicht zusammenpassen. Für jemand anderen ist das Umfeld, unter dem ich leide, möglicherweise genau das richtige.