Beeinflussen? Ja – aber richtig!

Beim Bewerbungsgespräch geht es um Verkauf. Darin sind sich alle einig. Die Meinungen darüber, was guter Verkauf ist, gehen allerdings auseinander. Für mich lässt guter Verkauf den Kundinnen und Kunden die Freiheit, nicht zu kaufen und ist gerade deshalb erfolgreich.

Peter Näf

Bewerbende neigen dazu, sich selber zu verkaufen, indem sie bei ihrem Gegenüber mit wasserdichten Argumenten jeden Vorbehalt vorwegnehmen. Der Kunde/die Kundin soll mit schlagenden Argumenten vom Kauf überzeugt, Zweifel sollen über geschickte Einwandbehandlung ausgeräumt werden. Wenn Sie als Kunde oder Kundin diese Art von Verkauf erlebt haben, kennen Sie das unbehagliche Gefühl, das dabei entsteht. Schliesslich hat Ihnen Ihr Gegenüber gerade argumentativ die Möglichkeit geraubt, eine eigenständige Kaufentscheidung zu treffen.

Es geht viel eleganter, wie das folgende Beispiel zeigt: Ich führte mit einem Verkäufer hochkomplexer technischer Anlagen ein Job-Interviewtraining durch. Es ging um eine Stelle bei einem Start-up im Technologiebereich. Neben einem technischen Ausbildungshintergrund war Begeisterung für modernste Technologie eine Hauptanforderung an Bewerbende. Mein Kunde war Elektroingenieur und hatte an der ETH doktoriert. Seine fachliche Eignung war unbestritten. Richtigerweise hat er sich daher im Gespräch auf die Soft Skills konzentriert.

Hören Sie auf zu verkaufen!

Er betonte zweimal im Gespräch, wie begeistert er von modernsten Technologien sei. Ich reagierte innerlich mit Widerstand. Genau diese Aussage macht fast jeder Bewerber und jede Bewerberin, wenn die entsprechende Anforderung im Stelleninserat formuliert ist. Im Verlauf des Gesprächs befragte ich ihn zu seiner Dissertation. Mit leuchtenden Augen erklärte er mir seine Forschungsarbeit. Seine Freude am Thema – natürlich ging es um neuste Technologien – war offensichtlich. Ich ließ mir nichts anmerken. Einige Minuten später schwärmte er davon, dass er und Freunde zusammen eine Drohne entwickelt und mit dieser an einem Wettbewerb teilgenommen hätten. Als er einige Zeit später erneut betonte, wie sehr ihn neuste Technologien begeisterten, vermerkte ich nur noch: «Sie können jetzt aufhören mit dieser Beteuerung; ich habe Ihre Begeisterung gesehen.»

Sie bestimmen, was andere über Sie denken

Zeigen statt bewerten – lautet ein bewährter Bewerbungsgrundsatz. Ihre Gesprächspartner im Job-Interview machen sich gerne ein eigenes Bild von Ihnen. Sie schätzen es nicht, wenn ihnen vorgegeben wird, was sie über jemanden zu denken haben. Zudem sind Sie als Bewerber/Bewerberin nicht neutral, was Ihre Selbstbeurteilung anbetrifft. Selbstbewertungen als Verkaufsargumente erzeugen Druck. Ihre Gesprächspartner reagieren mit Gegendruck.

Die Kunst besteht darin, den Interviewern die Freiheit zu einer eigenen Beurteilung zu belassen und sie gleichzeitig dazu zu bewegen, sich Ihr gewünschtes Bild von Ihnen zu machen. Erzählen Sie daher Geschichten, wie der Bewerber im obigen Beispiel es unbewusst gemacht hat.

Storytelling ist nicht Verkauf, aber Storytelling verkauft.

#Job-Interview, #Storytelling, #Selbstmarketing