Ein Bewerbungsgespräch ist wie ein Witz

Was müssen Sie tun, damit ein Witz – gehen wir davon aus es sei ein Guter – garantiert seine Wirkung verfehlt? Sie könnten ihn schlecht er-zählen, dafür aber die Pointe erklären, um sicherzustellen, dass alle ihn verstanden haben. Nicht lustig? Das Gleiche aber tun viele Bewerbende in Job-Interviews – ohne Scherz!

Peter Näf

Mein Kunde, mit dem ich ein Job-Interviewtraining durchführte, hatte einen komplexen Lebenslauf. Darin wechselten Phasen in der Akademie inkl. Dissertation ab mit internationalen Forschungs- und Arbeitsaufenthalten. Er hatte wissenschaftliche Papers verfasst zu Themen, um die er sich im fraglichen Job zu kümmern hätte. Zudem verfügte er über Erfahrung in verwandten Gebieten, was nicht auf den ersten Blick ersichtlich war. Die Kommunikation seines Hintergrundes war also anspruchsvoll.

Wir simulierten das Bewerbungsgespräch und ich bat ihn in der Rolle des Recruiters, mir seinen bisherigen Werdegang zu schildern.

Wenn Du es eilig hast, gehe langsam

Wie aus der Kanone geschossen erzählte er mir seine Karriere in gefühlt doppelter Sprechgeschwindigkeit. Er war offensichtlich bemüht, mir in 3-5 Minuten so viel Information wie möglich zu vermitteln. Dabei erklärte er mir, was ich gemäss Stelleninserat suche und dass er genau das bieten könne. Ich habe wenig darüber erfahren, wie er zu seinen Kenntnissen gekommen war und wo er seine Erfahrungen gesammelt hatte. Zudem wirkte er gestresst – ich war es auch.

Ich war unfähig so schnell zuzuhören, wie er sprach. Und da ich seinen Blitzstart verpasst hatte, war ich mit Zuhören im Verzug und hechelte ihm mit meiner Aufmerksamkeit hinterher. Dieses Problem war einfach lösbar: Ich bat ihn, nach jeder Frage zwei Sekunden zu warten, bevor er zu sprechen beginne. Auch konnte er sein Sprechtempo zügeln, nachdem er realisiert hatte, dass bei schnellem Sprechen ohnehin beim Recruiter nicht einmal die Hälfte der Information ankommt.

Beschreiben, nicht bewerten

Vor allem aber sollte er aufhören mir zu erklären, was ich suche und mir stattdessen zutrauen, dass ich die Übereinstimmung seiner Kenntnisse mit meinen Anforderungen erkenne. Dazu machte ich den Vergleich, dass ich als Recruiter wie ein hungriger Hund nach allen Informationen schnappe, die für die Stelle von Belang seien. Er müsse mir die Informationsbrocken also nur hinstellen.

Und genau da haperte es: Er hat sich selbst bewertet, mir aber wenig Informationen gegeben, mit denen ich seinen Hintergrund in Bezug auf die Stelle hätte beurteilen können. Seine Schlussfolgerungen bezogen sich auf Informationen, die mir nicht zur Verfügung standen. Oder um in unserem Bild zu bleiben: Er hat mir die Pointe erklärt, aber den Witz nicht richtig erzählt.

Wir haben dann die Rollen im Job-Interview geklärt: Ich als Recruiter beurteile seine Eignung für die Stelle, da ich diese kenne; er liefert mir dazu Informationen. Wenn er für sich beurteilen will, ob die Stelle ihn interessiert, sind die Rollen umgekehrt: Er beurteilt, da er seine Bedürfnisse kennt und ich gebe ihm Informationen über Stelle und Umfeld.

Das Ziel des Bewerbungsgesprächs ist, dass die Recruiter Sie passend finden und nicht Sie sich selbst. Oder wie heisst es doch so schön: Der Hunger muss den Bissen geniessen, nicht der Koch.

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