Karriere-Entscheidungen sind innere Mehrheitsentscheidungen

Viele Menschen tun sich schwer mit Karriere-Entscheidungen: «Welche berufliche Ausrichtung soll ich verfolgen?» «Soll ich die angebotene Stelle annehmen oder im aktuellen Job verbleiben?» Die Schwierigkeit entsteht unter anderem aufgrund der unrealistischen Annahme, es gäbe für alle diese Fragen nur die eine, absolut richtige Antwort.

Peter Näf

Die Vorstellung von der einen richtigen Entscheidung beruht vermutlich auf der unbewussten Annahme, wir Menschen seien Persönlichkeiten mit widerspruchsfreien Verhaltensweisen, Einstellungen und Merkmalen. Dieses kohärente Selbst-Bild stellen wir zur Sicherung unserer Psycho-Hygiene durch nachträgliche Rationalisierungen unserer emotionalen Entscheidungen immer wieder her. Bei der Entscheidungsfindung setzt uns dieses vereinfachte Menschenbild aber unter unnötigen Druck.

Dabei hatte Goethes Faust, als er von seinen zwei Seelen stöhnte, die – ach – in seiner Brust wohnten, wohl ganz schön untertrieben.

Wir sind viele

In Wirklichkeit beherbergen wir Menschen eher eine ganz Gruppe von Seelen. Friedeman Schulz von Thun hat dafür das schöne Bild vom inneren Team geprägt. Er beschreibt unsere Antriebe, Emotionen und Bedürfnisse als Teilpersönlichkeiten, die sich je nach Thema in unterschiedlicher Aufstellung bemerkbar machen und ihr Recht einfordern.

Bei Karriere-Entscheidungen könnten sich neben anderen folgende Teilpersönlichkeiten bei Ihnen zu Wort melden: Der Karrierebewusste, der möglichst schnell vorwärtskommen möchte; die Finanzministerin, die sich um die Existenzsicherung sorgt; der Lebenskünstler, dem eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben wichtig ist und der auch Spass an der Arbeit sucht sowie die Strategin, die Ihre Karriere langfristig richtig aufgleisen will. Alles Vertreter und Vertreterinnen nachvollziehbarer Anliegen.

Die Kunst besteht nun darin, zwischen diesen inneren Anteilen zu vermitteln, sie zu einer gemeinsamen Entscheidung zu führen und möglicherweise diejenigen zu entschädigen, die den Kürzeren gezogen haben.

Es gibt nicht nur einen Karriereweg

Gemäss dieser Betrachtung kann es die eine, 100% richtige Entscheidung nicht geben. Nie können alle Bedürfnisse und Wünsche gleichermassen befriedigt werden. Stattdessen setzen Sie für den Moment gültige Prioritäten und verleihen gewissen Anliegen ein grösseres Gewicht. Bei späteren Karriere-Entscheidungen werden sich andere Bestrebungen durchsetzen.

In jüngeren Jahren gewinnen möglicherweise der Karrierebewusste und die Finanzministerin, was der Lebensphase entspricht. In späteren Karrierephasen dürfte die Strategin eine stärkere Stimme haben und wird dann vielleicht unterstützt von der neu dazu gestossenen Gesundheitsbewussten.

Diese innere Teamaufstellung mit wechselnder Zusammensetzung macht auch deshalb Sinn, da sich nicht nur Ihre Prioritäten und Werte im Verlauf des Lebens und damit Ihrer Karriere verändern, sondern auch die äusseren Umstände. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen erfordern eine flexible Anpassung und da ist Diversität in Ihrem Inneren genauso hilfreich, wie sie es bei realen Teams im Unternehmen ist.

Und seien Sie unbesorgt: Sie leiden nicht an einer multiplen Persönlichkeitsstörung, wenn Sie verschiedene innere Stimmen vernehmen;-)

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