KMU-Erfahrung ist sexy

Viele meiner Kundinnen und Kunden vertreten ihre Berufserfahrung in klein- oder mittelgrossen Unternehmungen wenig selbstbewusst. Sie denken, Erfahrungen bei grossen, internationalen Brands seien mehr Wert. Was ist davon zu halten? Mit Freude breche ich eine Lanze für Menschen mit KMU-Erfahrung und das nicht nur, da ich selbst einer von ihnen bin.

Peter Näf

Mein Kunde, mit dem ich eine Standortbestimmung durchführte, hatte nach seinem Studienabschluss während vieler Jahre bei einer kleinen Beratungsunternehmung gearbeitet. Bei der Diskussion über seinen bisherigen Werdegang drückte er sein Bedauern aus, so lange bei dem Unternehmen geblieben zu sein und – da dieses keinen berühmten Namen trage – etwas in seiner Karriere versäumt zu haben. Er dachte, mit einem Hintergrund bei einem internationalen Grossunternehmen würde er heute besser dastehen.

Am Anfang übernahm ich seine Sichtweise. Ich habe noch nie von diesem Unternehmen gehört und aufgrund seiner negativen Bewertung ging ich davon aus, er hätte da tatsächlich nicht allzu viel gelernt.

Storytelling bringt es an den Tag

Als ich ihn im Rahmen des Storytellings um Projektbeispiele aus der Beratung bat, hat sich mein Bild schlagartig geändert: Er schilderte mir, dass die Firma in Projekten involviert gewesen sei, bei denen auch international renommierteste Beratungsunternehmen mitgearbeitet hätten. Sein damaliger Arbeitgeber hatte also in der Top-Liga mitgespielt. Entscheidender aber war, was er selbst in den Projekten beigetragen hatte. Dafür lieferte er mir ein treffendes Bild einer Sitzung im Rahmen eines Projektes: Er nahm mit dem Partner des Beratungsunternehmens teil und präsentierte selbst die Ergebnisse, die er verantwortete. Ein anderes involviertes Beratungsunternehmen wurde von einem Partner repräsentiert. Dieser stellte Ergebnisse vor, die Mitarbeitende mehrere Hierarchiestufen unter ihm erarbeitet hatten. Zudem leitete mein Kunde früh in seiner Karriere selbständig grosse Projekte von der Akquisition über die Analyse, Lösungsfindung bis zur Schlussbesprechung.

Er war sich allerdings nicht bewusst, wie viel Verantwortung er bereits in jungen Jahren getragen hatte im Vergleich zu jemandem, der nach Studienabschluss bei einer grossen Beratungs-gesellschaft eingestiegen war.

Der Lebenslauf spricht nicht von selbst

Ich machte ähnliche Erfahrungen als Mitarbeiter einer kleineren Personalberatungsunternehmung. Zwar war ich überzeugt vom Unternehmen und unserer Leistung, hatte aber lange Zeit das Gefühl, meine Erfahrung sei nicht besonders präsentabel. Bis ich realisierte, dass ich bei einem so-genannten Top-Headhunter die ersten Jahre vermutlich Research gemacht und Termine für die Senior Consultants vereinbart hätte. Ich aber habe schon in den ersten Wochen im Direct Search Leute angesprochen und getroffen. Im ersten Jahr bearbeitete ich selbständig Such-Mandate und nach weiteren drei Jahren trug ich als Partner Mit-Verantwortung für das Unternehmen.

Achten Sie also auf Ihr Framing: Die Zuhörerinnen übernehmen Ihre Interpretation der Erfahrungen, die Sie gemacht haben – denn schliesslich müssen Sie ja wissen, was diese wert sind.

Wie mein Kunde eine falsche Vorstellung von alternativen Karrieren hatte, können Menschen aus Grossunternehmen seine Erfahrungen bei einem KMU nicht richtig einschätzen, ausser er erklärt sie ihnen. Der Lebenslauf tut das nicht!

#karriere #outplacement #standortbestimmung