Rollenspiel – ein unterschätztes Konzept!

William Shakespeare legte einem Protagonisten in seinem Stück «Wie es euch gefällt» den berühmten Satz in den Mund: «Die ganze Welt ist Bühne und alle Frauen und Männer blosse Spieler…und jeder spielt im Leben viele Rollen…». Weil heute Authentizität so hoch im Kurs steht, ist das Konzept der Rolle etwas aus dem Blick geraten. Schade – denn es bietet sich als Lösung für viele Probleme an. Zudem schliessen sich Rollenbewusstsein und Authentizität nicht aus.

Peter Näf

Wir spielen in unserem Leben tatsächlich viele Rollen, meist ohne dies bewusst wahrzunehmen: Wir sind Sohn, Mutter, Mitarbeiter, Vorgesetzte, Freundin, usw. In jeder Rolle verhalten wir uns anders und zeigen nur einen Teil unserer Persönlichkeit. Friedeman Schulz von Thun hat dafür in seinem Konzept des inneren Teams ein schönes Bild geschaffen: Je nach Rolle und aufgeführtem Stück schicken wir nur eine Auswahl unseres inneren Ensembles auf die Bühne.

Die Rolle bietet Schutz

Im Zuge der Aufhebung von Hierarchien in Unternehmen werden Rollen im Berufsalltag oft ungenügend definiert. Viele Positionen erfordern zudem unausgesprochen laufend Rollenwechsel: Zum Beispiel sind Vorgesetzte in Projekten fachlich Mitarbeitenden unterstellt, die ihrerseits auf einmal Führung übernehmen müssen. In meiner Beratung ist oft Thema, dass Coachees ihre Rollen nicht mehr wahrnehmen und Sicherheit dadurch gewinnen, dass sie diese wieder für sich klären.

Dass die bewusste Einnahme einer Rolle Schutz bietet, zeigt sich auch in der Bewerbung. Ich betreute im Outplacement eine hoch qualifizierte Kundin mit einem spezialisierten Profil. Da es nur wenige geeignete Stellen für sie gab, hat sie immer wieder Absagen erhalten, die ihr aufs Gemüt schlugen. Einerseits hatte sie Standard-Absagen falsch interpretiert, wie ich es im Artikel «Interpretation von Standardabsagen» beschrieben habe. Vor allem aber hat sie diese persönlich genommen und sich als Mensch ab-gelehnt gefühlt. Was lief falsch?

Nackt unter Bekleideten

Wie die meisten Bewerbenden hat sie sich als ganzer Mensch für Stellen beworben und die Absagen haben sie damit auch als Mensch getroffen. Ich habe ihr daher vorgeschlagen, sich als Unternehmerin in eigener Sache zu definieren und in der Stellensuche mit Ihrem Angebot auf den Arbeitsmarkt zu gehen. Sie soll also nicht sich selbst verkaufen, sondern Ihr berufliches Profil. Eine Absage bedeutet dann, dass ihre Erfahrungen und Kenntnisse nicht passen. Sie als Mensch bleibt unangetastet. Mit dieser Haltung konnte sie Absagen besser verarbeiten. Schliesslich fühlt sich auch die Marktfrau nicht als Person abgelehnt, wenn Kunden ihre Äpfel nicht mögen.

Noch wichtiger ist die Rollenübernahme im Job-Interview. Wenn Stellensuchende als Herr Müller oder Frau Meyer ins Bewerbungsgespräch gehen sind sie als einzige in der Runde ohne Rolle. Recruiter und Hiring Manager nehmen am Gespräch als Rollenträger teil. Das kann sich für Bewerbende anfühlen, als trügen sie als einzige auf dem Maskenball kein Kostüm.

Eine Rolle einzunehmen ist also nichts, was Sie nicht schon täten. Wenn Sie es aber bewusst tun, werden Sie damit erfolgreicher sein und auch mehr Spass daran haben.

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