Dass Bewerbende sich erst für ein Job-Interviewtraining anmelden, wenn der Termin schon steht, ist weit verbreitet. So kurzfristig bleiben die Möglichkeiten zur Optimierung jedoch stark begrenzt. Auch im Selbstmarketing im Job denken viele zu kurzfristig, wie das folgende Beispiel zeigt.
Mein Kunde – nennen wir ihn René – war ein sehr unternehmerisch denkender Mitarbeiter, der sich mit grossem Engagement für die Interessen seines Arbeitgebers einsetzte. Er war intrinsisch motiviert, hat seinen Verantwortungsbereich laufend weiterentwickelt und ging dabei weit über sein offizielles Pflichtenheft hinaus.
In der Standortbestimmung übte ich mit ihm Storytelling. Er erzählte seine Geschichten fast ausschliesslich in der Wir-Form (lesen Sie dazu meinen Artikel: «Vergessen Sie das WIR im Selbstmarketing») und dadurch blieben seine Errungenschaften im Hintergrund.
Selbsterkenntnis kommt vor Selbstmarketing
Es war offensichtlich: Er nahm seine Leistungen und seine grössten Assets zu wenig wahr. Auch verwehrte er sich gegen mein Insistieren, dass er selbst derjenige war, der seinen Bereich entscheidend vorangebracht hatte. Er scheute sich davor, dieses Verdienst für sich zu beanspruchen und betonte immer wieder, er hätte es nicht allein getan – schliesslich hätte er alle Verbesserungen ohne sein Team nicht umsetzen können.
Das ist wohl wahr. Aber es bleibt schliesslich auch das Verdienst von Steve Jobs, das IPhone in die Welt gebracht zu haben, obwohl Tausende von Mitarbeitenden wertvolle Beiträge geleistet haben, ohne die dieser Erfolg nicht möglich gewesen wäre.
Es ehrt René, dass er die Leistungen seiner Mitarbeitenden würdigte. Dass er dies mit seiner eigenen Leistung ebenso hätte tun sollen, zeigte sich einige Wochen später. Im Verlauf der weiteren Zusammenarbeit erzählte er mir, dass er mit seinen Vorgesetzten über eine Beförderung verhandelte, die sie ihm verwehrten. Wie wir geübt hatten, strich er bei den Gesprächen seine Leistungen mittels Geschichten hervor – ohne Erfolg.
Interne Positionierung ist eine Investition
Seine Vorgesetzten beurteilten seine Leistung anders. Sie waren nicht in der Lage, die Schwierigkeiten zu sehen, die er bei seinen Engagements hatte überwinden müssen, wie ich es bereits im Artikel «Warum Erfolg nicht genügend für sich spricht», beschrieben habe.
Schliesslich erkannte René, dass seine Vorgesetzten ihn durch sein während langer Zeit praktizierte Kleinreden der eigenen Leistung genau so einschätzten, wie er sich bis dahin selbst eingeschätzt hatte. In der kurzen Frist der Beförderungsgespräche war es praktisch unmöglich, die Sichtweise seiner Vorgesetzten zu ändern. Ihre Meinung war gefestigt – geprägt von den Eindrücken einer langen gemeinsamen Zusammenarbeit. Menschen von einmal gefassten Meinungen wegzubringen ist schwierig. René hätte sich seinen Ruf im Unternehmen strategisch über die Zeit aufbauen müssen.
Verstehen Sie Selbstmarketing als langfristige Investition und machen Sie daraus eine feste Gewohnheit. Andernfalls ist es, als wollten Sie erst im Juni beginnen, Ihren Körper für die Badesaison in Form zu bringen. Wer es schon versucht hat, weiss, wovon ich spreche.