Warum Erfolg nicht genügend für sich spricht

«Mein Erfolg spricht für mich!» Dies ist eine oft gehörte Aussage erfolgreicher Berufsleute, die sich weigern, Selbstmarketing zu betreiben. Was schlüssig tönt, ist leider zu kurz gedacht. Es ist auch relevant, wie der Erfolg zustande gekommen ist – und davon spricht dieser nicht von selbst.

Peter Näf

Ein Unternehmen hat einem jungen Mitarbeiter aus dem Bereich Key Account Management eine Standortbestimmung bei mir angeboten. In der ersten Sitzung erzählte mir der Coachee, dass er mit seinem Vorgesetzten intensiv über seinen Lohn verhandle. Er wurde eingestellt, um ein bestehendes Kundenbuch zu übernehmen, die Kunden zu halten und den Kundenstamm weiter auszubauen. Im Gegensatz zu seinen Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen, die ihren Kundenstamm von Null aufbauen müssen, hatte er ein weit weniger kompetitives und nach oben limitiertes Salär Modell, was ihn störte.

Machen Sie Ihre Leistung sichtbar…

Sein Vorgesetzter argumentierte, dass es ein Unterschied sei, ob man sich einen Kundenstamm neu aufbauen müsse oder einen bestehenden übernehmen könne. Ich konnte diese Sichtweise nachvollziehen und verstand nicht, warum mein Coachee das anders sah – bis er mir eine interessante Geschichte erzählte:

Das erste Treffen mit einem bedeutenden Kunden, einem über 70-jährigen Unternehmer, stand bevor. Diesen galt es unbedingt zu halten und es war davon auszugehen, dass Konkurrenzunternehmen ihre besten Berater losschickten, um ihn als Kunden zu gewinnen. Mein Coachee war 30 Jahre alt und überlegte sich, wie er diesem Kunden aufzeigen konnte, dass er ihm trotz des enormen Alters- und Erfahrungsunterschiedes ein kompetenter Ansprechpartner sein könnte. Er analysierte in stundenlanger Arbeit die Familiengeschichte, machte die Interessen des Kunden ausfindig, recherchierte über dessen Kinder und überlegte sich allerlei Fragen, die der Kunde ihm zur Probe stellen könnte. Auch legte er sich eine Dramaturgie für das Meeting zurecht, wie ich es nie zuvor gehört hatte. Das Treffen war wie erwartet außerordentlich anspruchsvoll. Aber mein Coachee hat den Kunden nicht nur halten können, sondern ist ihm ein Vertrauter geworden, den dieser oft um seine persönliche Meinung zu allerlei Themen anfragt.

…indem Sie die ganze Geschichte erzählen

Hätte er mir diese Geschichte nicht erzählt, hätte ich es nicht als außerordentliche Leistung erachtet, diesen Kunden zu halten. Schliesslich arbeitet mein Coachee bei einem namhaften Unternehmen und der Kunde hatte mit seinem Vorgänger jahrelang erfolgreich zusammengearbeitet. Genau gleich dürfte es den Vorgesetzten ergangen sein, solange mein Coachee ihnen nicht die ganze Geschichte erzählt hatte. Einen einfach zu überzeugenden Kunden zu halten, oder einen höchst anspruchsvollen Kunden als Vertrauten zu gewinnen sieht genau gleich aus, wenn wir nur das Resultat, also den Erfolg ansehen: Kunde ist geblieben. Oder ein anderes Beispiel: Ob ein Profifußballer gegen eine starke gegnerische Mannschaft ein Tor erzielt oder ob ich als vollends talentbefreiter Dilettant den Ball in ein Tor ohne Torhüter schieße – das Resultat ist das Gleiche: Gooaaaalllll!

Darum macht auch die viel verbreitete Ansicht keinen Sinn, in den Lebenslauf gehörten nicht in erster Linie Tätigkeiten, sondern vor allem Erfolge. Denn die ganze Geschichte können sich Recruiter erst im Bewerbungsgespräch erzählen lassen, wo sie diese auch kritisch hinterfragen können.

#selbstmarketing #personal-branding #marke-ich