Eine Kundin wünschte sich für sich eindeutige Begabungen und eine wirkliche Spezialisierung, was ihr die Entscheidung über die Ausrichtung ihrer Karriere erleichtern würde. Diesen Wunsch hörte ich nicht zum ersten Mal in meiner Beratung. Aber ist es nicht einer der Wünsche, vor deren Erfüllung uns das Schicksal gnädigerweise bewahren möge?
Meine Kundin war ist eine junge Frau mit vielen Talenten und Interessen sowie der Fähigkeit, sich für Unterschiedliches zu begeistern. Nach einer Berufslehre hat sie sich an der Fachhochschule weitergebildet. Es standen ihr nun am Beginn ihrer beruflichen Karriere viele Möglichkeiten offen. Die Wahl war tatsächlich eine Herausforderung. Wie Sheena Iyengar in ihrem Buch «The Art of Choosing» beschreibt, wirkt zu viel Auswahl überfordernd und lähmend auf die Entscheidenden. Im berühmten Marmeladen-Experiment fällten wesentlich mehr Kundinnen und Kunden eine Kaufentscheidung, wenn sie nur zwischen 6 anstatt 24 Sorten wählen konnten.
«Zumutung» Freiheit
Die Fragestellung meiner Kundin ist relativ neu. In früheren Generationen entschied u.U. die Familientradition über die Berufswahl. Oder die wirtschaftliche Situation der Familie bot den Nachkommen keine Wahl und sie waren froh, überhaupt eine Arbeit zu haben. Eine Ausbildung machen zu können war schon die Ausnahme.
Heute haben viele Menschen wie meine Kundin das Privileg der Wahlfreiheit. Damit verbunden ist auch die Verantwortung für die Entscheidung sowie die Folgen daraus. Dies kann überfordern, wie ich es auch persönlich erlebt habe. Die bekannte «Fear of missing out» verschärft das Problem noch zusätzlich. Wie kann meine Kundin mit dieser Situation umgehen? Die Fragestellung hat verschiedene Dimensionen und möchte hier einige Ideen formulieren, wie durch realistische Annahmen die Entscheidung erleichtert werden kann.
Realistische Entscheidungsgrundlagen
Viele meiner Coachees haben die Vorstellung, es gäbe für sie nur die eine richtige Karriere. Die Berufsauswahl wird damit zu einer Art Suche nach dem heiligen Gral. Ich gehe demgegenüber davon aus, dass für die meisten Menschen unterschiedliche Karrieren möglich und attraktiv sind; allerdings unter Bedingungen. Und diese Bedingungen habe ich mit meiner Kundin in der Standortbestimmung erarbeitet. Zudem können wir immer nur den nächsten beruflichen Schritt und nicht unsere ganze Karriere planen, wie dies oft versucht wird (siehe Artikel «Karriere – Planung oder Design?»).
Und schliesslich gibt es im Leben ganz selten 100%-Entscheidungen. Jede Option hat Vor- und Nachteile. Entscheidungen sind somit innere Mehrheitsentscheidungen unserer verschiedenen Bedürfnisse und Vorlieben, wie ich es im gleichnamigen Artikel beschrieben habe.
Wünschen Sie sich also nicht das traurige Leben eines «One Trick Pony», welches keine Entscheidungsprobleme kennt. Geniessen Sie stattdessen Ihre Freiheit mit allen damit verbundenen Herausforderungen. Sollte sich eine Entscheidung im Nachhinein als falsch erweisen – ziehen Sie Ihre Lehren daraus und entscheiden Sie neu. Das nennt sich «Erfahrungen sammeln» und macht aus Ihrem Leben ganz grossen Zirkus!
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Karriere – Planung oder Design