Dies fragte mich vor Jahren ein Kunde im Job-Interviewtraining. Berechtigte Frage? Ja und Nein. Natürlich müssen wir im Bewerbungsgespräch etwas mit unseren Händen tun; Gestik ist Teil der Kommunikation. Aber die Frage verleitet dazu, sich in der Gesprächsführung selbst zu beobachten und sich auf Äusserlichkeiten zu konzentrieren. Und wer sich selbst beobachtet, ist nicht mehr bei sich.
Wissen Sie, woran ich erkenne, dass sich Bewerbende mit einer Kamera auf Bewerbungsgespräche trainiert haben? Sie rudern mit den Händen vor ihrer Brust, als würden sie einen imaginären, dicken Teigklumpen rollen, damit dieser nicht zu Boden fällt. Dabei ist ihr Oberkörper leicht nach hinten geneigt und das Kinn zeigt etwas in die Höhe. Nun ja – authentisch wirkt das nicht gerade. Kein Mensch würde natürlicherweise so gestikulieren.
Ich riet meinem Kunden – Marcel (Name geändert) – seine Hände einfach auf den Tisch zu legen und sich nicht weiter um sie zu kümmern. Die Hände über der Tischkante zu halten ist eine vertrauensbildende Massnahme, die wir von unseren Vorfahren geerbt haben. In archaischen Zeiten stellten sie damit sicher, dass ihre Gegenüber nicht unter dem Tisch mit einer Waffe – heute wäre es wohl ein Smartphone – hantierten.
In Netz trainierte Bewerbungsroboter
Das Job-Interviewtraining verlief harzig. Marcel hatte sich akribisch vorbereitet, die vermeintlich wichtigsten Interviewfragen im Internet recherchiert und die perfekten Antworten gleich dazu. Heute würde er sich vermutlich mit Chat GPT vorbereiten. Ich kam mir vor, als spräche ich mit einem Roboter; auch seine Gestik war einstudiert und unnatürlich.
Also versuchte ich ihm aufzuzeigen, dass ich ihn gerne kennenlernen möchte und überzeugt sei, dass er viel überzeugender rüberkomme als die Fassade eines perfekten Bewerbers, die er mir zu präsentieren versuche. Ohne Erfolg. Wie konnte ich ihn dazu bringen, wenigstens für kurze Zeit so zu kommunizieren, dass der Mensch hinter der Fassade sichtbar würde?
Die Hände folgen der Sprache
Ich setzte alle Hebel in Bewegung, um ihn abzulenken, damit er aus der Bewerberrolle fiel. Als ich schon aufgeben wollte, erzählte er mir plötzlich während etwa drei Minuten sehr persönlich über seinen familiären Hintergrund. Sein Körper entspannte sich, er neigte sich leicht vor und erzählte, was ihn wirklich bewegte. Stimme und Gesichtsausdruck wurden weich. Seine Hände unterstrichen mit harmonischen Bewegungen seine Aussagen. Alles war aus einem Guss: Glaubwürdig, menschlich und überzeugend. Ich gab ihm Feedback, dass er genau so auch im Bewerbungsgespräch überzeugen würde.
Ich weiss nicht, ob er es gewagt hat, als Marcel in die Gespräche zu gehen. Authentisch zu kommunizieren, indem man zu sich selbst steht, ist keine Technik, sondern eine Haltung.
Aber die einzigen Empfehlungen, die ich ihm in Bezug auf seine Körperhaltung im Job-Interview gab, waren: Sitze aufrecht, ohne anzulehnen und spüre deine beiden Sitzbeinhöcker auf den Stuhl. Stelle deine Füsse schulterbreit auf den Boden und lege deine Hände auf den Tisch. Und dann konzentriere dich auf das Gespräch; die Hände wissen dann schon, was sie zu tun haben.
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Jetzt aber mal «frei Schnauze» – bitte!