Was macht Storytelling so effektiv? Bilder!

Es ist eine Binsenwahrheit, dass Bilder mehr sagen als tausend Worte. Wie aber gelingt es, in der Kommunikation bei ihrem Gegenüber Bilder zu erzeugen? Viele versuchen es durch eine möglichst bildhafte Sprache unter Verwendung vieler Adjektive. Einfacher funktioniert es durch das Erzählen persönlicher Geschichten, wobei Details Farbe in die Schilderungen bringen – Storytelling im besten Sinne.

Peter Näf

Reto (Name geändert) war ein Kunde von mir, der von seinem Unternehmen im Rahmen der Führungsentwicklung ein Coaching offeriert erhielt. Ziel war unter anderem die Verbesserung seiner Führungs-Kommunikation. Wir übten Storytelling und er erzählte mir folgende Geschichte:

Reto führte als Abteilungsleiter ein Team von fünf Mitarbeitenden. Eine längere Urlaubsreise stand bevor, die er seiner Frau und seinen Kindern seit langem versprochen, aber schon mehr als einmal aus geschäftlichen Gründen hatte verschieben müssen. Unvorhergesehen ergab sich erneut eine Terminkollision: In der Zeit seiner Abwesenheit wurde ein wichtiges Projekt fällig, welches grosse Sichtbarkeit auf Geschäftsleitungsebene hatte. Reto hat daher die Arbeiten minutiös geplant und gemäss den Stärken auf seine Mitarbeitenden aufgeteilt. Damit stellte er sicher, dass trotz seiner Abwesenheit alles rechtzeitig fertig würde.

Unvorhergesehenes erzeugt Dramatik…

Während seines Urlaubs tauchten bei einem jungen Mitarbeiter familiäre Probleme auf, die ihn aus der Bahn warfen. Reto konnte ihn nicht für längere Zeit freistellen, ohne das Projekt zu gefährden. Er hat daher regelmässig mit seinem Mitarbeiter telefoniert und ihn eng begleitet. Er erarbeitete mit ihm einen Plan, damit er sich genügend Zeit für seine privaten Angelegenheiten nehmen und trotzdem seinen Beitrag zum Gelingen des Projektes leisten konnte. Sein Team hat das Projekt erfolgreich abgeschlossen und die Feedbacks seitens der Geschäftsleitung waren hervorragend. Das Erfolgserlebnis im Team hat dem Mitarbeiter in der schwierigen privaten Situation Mut gemacht und er bedankte sich bei Reto für seine Begleitung.

Die Geschichte beeindruckte mich und zeigte einige Führungs-Qualitäten von Reto: Empathie, eine gute Mischung aus Menschen- und Sachorientierung, Belastbarkeit und Engagement.

…und Details bringen Farbe in die Geschichte

Wir optimierten die Geschichte, bis wir beide zufrieden waren. Das war viel Arbeit und Reto war erleichtert. Er seufzte und setzte unbewusst mit einem einzigen Satz der Geschichte die Krone auf: «Weisst Du Peter, es war es schon verrückt: ich sass an vielen Abenden, während meine Familie schon im Bungalow schlief, in Badehose und Hawaii-Hemd unter Palmen bei einem Bier und telefonierte mit meinem Mitarbeiter.» Das hat gesessen! Reto bei einem Bier unter Palmen ist das Bild, das ich heute noch erinnere.

Das Bild malte nicht er, sondern ich als Zuhörer vor meinem geistigen Auge, während er mir einfach seine Geschichte gut erzählte. Adjektive konnte er sich dabei sparen gemäss Georges Clemenceau, französischer Verleger und Staatspräsident, der in seiner Redaktion folgende Regel hatte: «Wenn Sie ein Adjektiv verwenden wollen, kommen Sie zu mir in den dritten Stock und fragen, ob es nötig ist.»

#storytelling #selbstmarketing #jobinterview