Was wollen die Interviewer hören? – Falsche Frage!

Eine der häufigsten Fragen meiner Kundinnen und Kunden im Rahmen von Job-Interviewtrainings lautet, was die Interviewenden von ihnen hören wollten. Tönt die Frage im ersten Moment sinnvoll, ist sie für Fach- und Führungskräfte in Wirklichkeit Ausdruck einer gefährlichen Bewerbungsstrategie.

Peter Näf

Versetzen Sie sich in die Position einer Recruiterin, die einen qualifizierten Bewerber interviewt. Sie versuchen im Gespräch herauszufinden, ob er für die Stelle nicht nur geeignet, sondern auch motiviert ist und ob er in die Kultur des Unternehmens passt. Dabei stellen Sie fest, dass der Bewerber sich schon für die Stelle entschieden hat und alle Fragen genauso beantwortet, wie er erwartet, dass Sie es wünschen. Beschleicht Sie gerade ein ungutes Gefühl? Zu Recht!

Kommunikation auf Augenhöhe

Ich erinnere mich an diese Art Gespräche in meiner Tätigkeit als Headhunter. Ich hinterfragte solche Bewerbenden, denn meiner Meinung nach würden qualifizierte Fach- oder Führungskräfte Stelle und Arbeitsumfeld kritischer prüfen. Aber nicht nur wegen dem zweifelhaften Eindruck, den diese Strategie hinterlässt, rate ich davon ab. Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Stelle erhalten und realisierten nach Stellenantritt, dass ein wichtiger Teil Ihrer Anforderungen an Job-Inhalt oder Job-Umfeld nicht erfüllt ist. Während Sie im Bewerbungsprozess meist noch erstaunlich viel Einfluss auf die Ausgestaltung von Job und Arbeitsbedingungen nehmen können, müssen Sie nun ungünstige Gegebenheiten akzeptieren, wenn Sie diese nicht verhandelt haben.

Natürlich macht es Sinn, sich zu überlegen, welche Informationsbedürfnisse Interviewende haben. Es gehört zu einer gründlichen Interviewvorbereitung, sich in die Position Ihrer Interviewer zu versetzen, damit sie die relevanten Gesprächsinhalte aufbereiten können. Aber während des Gesprächs ist es wichtig, dass Sie bei sich bleiben und Ihre Interessen in der Verhandlung vertreten. Wenn Ihr Hintergrund, Ihre Persönlichkeit oder Ihre Bedürfnisse nicht zur Stelle passen, müssen Sie die Stelle auch nicht haben.

«Drum prüfe, wer sich…

ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.» – so Friedrich Schiller im Lied von der Glocke. Nun ja, um eine ewige Bindung geht es bei der Job-Suche nicht. Aber es ist doch ein Engagement, welches eine Übereinstimmung der eigenen Fähigkeiten mit den Job-Anforderungen sowie eine Passung der Persönlichkeit mit der Kultur des Unternehmens erfordert. Und wenn der Fit nicht ausreichend gegeben ist, merken Sie es von Vorteil, bevor Sie sich auf das Abenteuer einlassen.

Ein kleiner Trick, um dieser weit verbreiteten Falle bei der Stellensuche zu entgehen: Entscheiden Sie sich erst ganz am Schluss des Bewerbungsprozesses für oder wider die Stelle – das ist früh genug! Und es erhöht Ihre Chancen, denn von gut qualifizierten Bewerbenden wird erwartet, dass sie Stellenangebote kritisch prüfen.

Viele entscheiden stattdessen unbewusst bereits, wenn sie das Stelleninserat gelesen haben. Nur entscheiden sie sich dann nicht für die konkrete Stelle, sondern für ihre eigene Vorstellung davon.

Und wenn diese Vorstellung im Bewerbungsprozess zu wenig herausgefordert wird, dann hat möglicherweise kurz der Wahn gewonnen und die Reu wird nicht lang auf sich warten lassen.

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