«Weiterbildung ist nie falsch!»– aber ist sie auch immer richtig?

Viele Menschen, die in ihrer Karriere feststecken und unsicher sind über ihre nächsten Schritte, nehmen eine Weiterbildung in Angriff. Das gibt ihnen ein gutes Gefühl, unterwegs zu sein und sie denken, sich weiterzubilden könne nie falsch sein. Nur sind sie oft nach dem Abschluss in ihrer beruflichen Orientierung keinen Schritt weiter.

Peter Näf

Ein junger Mann suchte vor einigen Jahren meinen Rat in Bezug auf eine MBA-Weiterbildung. Er hatte mit dem Abschluss einer französischen Elite-Universität einen hervorragenden akademischen Hintergrund und war während vielen Jahren bei einer namhaften Industrieunternehmung im Produkt Management tätig. Er fühlte sich in seiner Karriere an einem toten Punkt und hat sich daher überlegt, einen MBA zu machen.

Aufgrund seines guten Ausbildungshintergrundes erschloss sich mir der Nutzen der geplanten Weiterbildung nicht und ich fragte ihn, was er mit dem MBA beruflich erreichen möchte. Die Frage erstaunte ihn und er wurde etwas ärgerlich wegen meiner Aussage, eine Weiterbildung mache für mich bei Menschen mit einem universitären Abschluss nur dann Sinn, wenn sie auf ein Ziel ausgerichtet sei.

Kein Wissenserwerb auf Halde

Ich war wegen der sichtlichen Enttäuschung meines Kunden unzufrieden mit dem Gespräch, bis er mir einige Monate später von seinen Erfahrungen erzählte: Er hatte sich bei den international renommiertesten Institutionen für eine MBA-Ausbildung beworben und wurde unter anderem von einem TOP-Anbieter zu einem Gespräch eingeladen. Der Professor fragte ihn im Bewerbungsgespräch, wozu er die MBA-Ausbildung machen möchte. Nachdem mein Kunde die Frage nicht schlüssig beantworten konnte, riet er ihm vom Studium ab; ohne klares Ziel sei der finanzielle und zeitliche Aufwand nicht zur rechtfertigen – schliesslich habe er bereits einen guten akademischen Hintergrund.

Entwicklung geschieht auch on the job

Prof. Ernst Pöppel legt in seinem Buch «Je älter, desto besser» dar, dass Lernen für reifere Personen immer ein Ziel haben müsse, damit das Gelernte an bestehendes Wissen anknüpfen könne; andernfalls würde es in Kürze wieder vergessen.

Aber woher kommt dieser Reflex zu schulischer Weiterbildung, wenn die Karriere scheinbar ins Stocken gerät? Ich gehe davon aus, dass Menschen grundsätzlich gerne lernen und sich entwickeln wollen. In jungen Jahren begegnen wir aufgrund fehlender Erfahrung steilen Lernkurven, was uns das befriedigende Gefühl verleiht, voranzukommen. Mit zunehmender Erfahrung flacht die Kurve ab, was sich anfühlt, als würden wir stehenbleiben. Wir erfahren die Lernfortschritte nicht mehr täglich; sie sind nur noch in der Rückschau sichtbar und werden dadurch oft übersehen. Dem können wir entgegenwirken, indem wir persönliche Fortschritte gezielt suchen und schriftlich festhalten, z.B. in Form von Projektlisten, Erfolgsjournalen oder Lerntagebüchern.

Dadurch realisieren wir, dass wir nicht in erster Linie auf der Schulbank, sondern vor allem an beruflichen Herausforderungen wachsen. Und wir schaffen Raum, uns in Ruhe über unsere Weiterentwicklung Gedanken zu machen und zu erkennen, welche Kompetenzen wir durch gezielte Weiterbildung oder Coaching ergänzen müssen.

Das Ziel der Karriereentwicklung kommt immer vor dem Weg der Weiterbildung.

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