Wie Storytelling im Job-Interview funktioniert

Dirigentinnen haben es einfach bei der Rekrutierung: Sie lassen ihre künftigen Orchestermusiker vorspielen, idealerweise hinter einem Paravent, damit Äusserlichkeiten sie im Urteil nicht beeinflussen. Damit erleben sie direkt eine wichtige Stellenanforderung. So einfach gestaltet sich die Auswahl von Bewerbenden in anderen Branchen nicht.

Peter Näf

Das Ziel der Rekrutierung ist sicherzustellen, dass Bewerbende den in Frage stehenden Job erfolgreich ausüben können. Am sichersten wäre es, wenn Unternehmen die Kandidatinnen und Kandidaten für eine gewisse Zeit ausprobieren könnten, um dann erst zu entscheiden, ob sie diese einstellen wollen.

Dafür hat niemand die Zeit. Daher definieren Unternehmen erfolgskritische Situationen der Stelle und prüfen diese. Bei einer Orchestermusikerin ist erfolgskritisch, dass sie ein schwieriges Musikstück fehlerfrei spielen und angemessen interpretieren kann – daher das Vorspiel. Ob sie sich im Orchester einfügen, mit anderen als Team zusammenspielen und in einer Krisensituation improvisieren kann, ist damit noch nicht sichergestellt.

Es geht um Beobachtung

Auch in der Rekrutierung für andere Stellen ist es möglich, Kandidatinnen und Kandidaten eine Aufgabe zu geben: Sie lösen Fallstudien, halten eine Präsentation oder simulieren im Rollenspiel ein schwieriges Mitarbeitergespräch. Damit werden die Fähigkeiten der Bewerbenden beobachtbar gemacht. Darauf basieren Assessment Center (AC): Assessoren beobachten Bewerbende dabei, wie sie eigens designte, erfolgskritische Herausforderungen der in Frage stehenden Stelle bewältigen und ziehen daraus Schlüsse auf deren Fähigkeiten und Stärken.

Storytelling ist kostengünstig

Ein Nachteil dieses Vorgehens ist, dass Menschen sich in Prüfungssituationen anders verhalten, als wenn sie sich unbeobachtet wähnen. Dies ist als Hawthorne-Effekt bekannt. Zudem sind AC’s zwar aussagekräftig, aber für beide Seiten zeitintensiv und für das Unternehmen teuer. Auch lassen sich nicht alle erfolgskritischen Faktoren prüfen: z.B. entziehen sich Ausdauer, Ideenreichtum, Initiative oder Hartnäckigkeit der kurzfrist-gen Beobachtung.

Und hier kommt Storytelling ins Spiel. Eine Geschichte von Bewerbenden über eine erfolgreich bewältigte Herausforderung erzielt den gleichen Effekt: Fähigkeiten lassen sich beobachten. Voraussetzung ist, dass Sie die Geschichte strukturiert und mit den nötigen Details erzählen. Visuelle Vorstellungen aktivieren bei den Zuhörern die gleichen Hirnareale wie visuelle Wahrnehmungen. Unser Gehirn macht also keinen Unterschied, ob wir etwas mit unseren physischen oder mit unserem geistigen Auge wahrnehmen.

Und das Ganze scheint auch dann zu funktionieren, wenn man das Konzept nicht kennt. So habe ich früher als Headhunter immer gesagt, ich sähe den Kandidaten A im Gegensatz zu Kandidatin B in dieser Stelle. Das Herstellen von Über-einstimmung von Bewerbenden mit Stellen scheint also ob bewusst oder unbewusst ein visueller Akt zu sein.

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