Umgeben von Idioten

«Surrounded by idiots» lautet der Titel eines Buches von Thomas Ericson. Es handelt von unserer alltäglichen Mühe mit Unterschiedlichkeit oder neuhochdeutsch: Diversity. Warum fällt es uns Menschen oft so schwer, ohne Abwertung oder Angst andere Menschen zu akzeptieren, wie sie sind?

Peter Näf

Thomas Erikson nähert sich dem Thema anhand des Persönlichkeitsprofils DISC an. Darin werden die unterschiedlichen Ausprägungen von Menschen in vier Grundtypen aufgeteilt, denen je eine Farbe zugeordnet wird. Wie ich im Artikel «Warum ich keine Persönlichkeitstests einsetze», ausgeführt habe, bekunde ich Mühe mit solcher Kategorisierung von Menschen. Die Lektüre des Buches ist nichtsdestotrotz ein Gewinn und durch seine humorvollen Zuspitzungen ein Vergnügen.

Menschen sind unterschiedlich

Für die Darstellung der menschlichen Persönlichkeit bevorzuge ich eine Mischung aus dem Wertequadrat von Friedemann Schulz von Thun und dem Kernqualitäten-Modell von Daniel Ofman; beide basieren auf Aristoteles’ nikomachischer Ethik

Zusammengefasst besagt das Modell folgendes: Menschen verfügen über Stärken, die sich unter Druck in Schwächen verwandeln. Als Ausgleich müssen sie daher eine Gegenstärke entwickeln, um nicht in die Falle der eigenen Schwäche zu geraten. Und zu guter Letzt reagieren Menschen auf die Übertreibung der Gegenstärke allergisch. Alles klar?

Ein Beispiel: Ein aktiver Mensch wird unter Druck ungeduldig, was eine Schwäche darstellt. Sein Entwicklungspotential liegt also in der Ge-genstärke Geduld. Diese bewahrt ihn davor, in die Falle der eigenen Schwäche zu tappen, also ungeduldig zu werden.

Alle finden, alle anderen seien Idioten

Geduld – eine Stärke – wird unter Druck zur Passivität; eine Schwäche, auf die der Aktive allergisch reagiert. Er hat kein Verständnis dafür, da es Untätigkeit in seiner Erlebenswelt nicht gibt. Er geht davon aus, dass mit seinem temporär passiven Mitmenschen etwas nicht stimmt – es muss sich also um einen Idioten handeln.

Der von Natur aus geduldige Mensch wiederum reagiert allergisch auf die Übertreibung seiner Gegenstärke Aktivität, also auf Ungeduld – eine Eigenheit, die es in seiner Welt nicht gibt. Der Ungeduldige (normalerweise Aktive) ist für den Geduldigen daher nicht ganz bei Trost – ein Idiot also auch er. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Akteure – der Aktive und der Geduldige – die gelegentliche Übertreibung des Gegenübers oft als Bösartigkeit interpretieren und persönlich nehmen.

Viel wäre gewonnen, wenn wir Menschen unsere Stärken, Schwächen und Allergien besser kennen würden und das irritierende Verhalten unserer Mitmenschen nicht als schlechte Absicht sähen. Stattdessen könnten wir es als temporäre Überforderung erkennen, die nichts mit uns zu tun hat. Und wenn wir gleichzeitig anerkennen würden, dass auch wir uns unter Druck für andere unmöglich verhalten, könnten wir respektvoller miteinander umgehen.

Denn so ganz ohne unsere Mit-Idioten wäre das Leben doch furchtbar langweilig.

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