Warum ich keine Persönlichkeitstests einsetze

Viele Unternehmen setzen Persönlichkeitstests nicht nur in der Rekrutierung, sondern auch in der Personalentwicklung ein. Das Gleiche tun Karriere-Coaches in Standortbestimmungen. Macht es Sinn, die Selbsterkenntnis von Menschen einem Test anzuvertrauen? In den letzten Jahren nehme ich bei meinen Kundinnen und Kunden vermehrt Vorbehalte gegenüber Persönlichkeitstests wahr – eine positive Entwicklung, zumal künstliche Intelligenz der Testindustrie neuen Schub verleihen dürfte.

Peter Näf

Persönlichkeitstests erzielen in Studien eine gute Validität und machen anscheinend recht verlässliche Aussagen über die Persönlichkeit eines Menschen. Was mich allerdings immer wieder erschreckt ist, wie unzulässig sie interpretiert werden. Schon als Headhunter hörte ich oft Aussagen wie: «Der Kandidat ist ein typischer Blauer». Solche Stereotypisierung finde ich absolut unzulässig

Es lebe das Individuum

Die Tests sind schwieriger auszuwerten, als es die spielerisch anmutende, farbige Aufmachung sowie die eingängig beschriebenen Charaktertypen vermuten lassen. Ein Wochenend-Seminar zur Zertifizierung dürfte für eine glaubwürdige Interpretation nicht genügen.

Die Tests teilen Probandinnen und Probanden in eine überschaubare Anzahl von Typen ein, die der Individualität der Menschen sowie ihrer Entwicklungsfähigkeit nicht gerecht werden. Unglücklicherweise werden die unterschiedlichen Typen oft auch noch bestimmten Berufsfeldern zugeteilt in der Art von: «Rot – und nur rot – gehört in die Führung».

Die Tücken von externen Gutachten für eine berufliche Standortbestimmung habe ich in jungen Jahren selbst erlebt. Meine Karriere war an einem toten Punkt angelangt und ich wusste nicht weiter. Ich liess mir für meine berufliche Neuorientierung ein graphologisches Gutachten zu meinen Neigungen und Talenten erstellen. Dies war damals ein verbreitetes Instrument, bevor es von Persönlichkeitstests verdrängt wurde.

Selbsterkenntnis ist nicht delegierbar

Das Ergebnis des Gutachtens überraschte mich und ich konnte mich darin nur begrenzt wiedererkennen. Ein Teil der Charakterisierung war mir bewusst und damit kein Erkenntnisgewinn. Viele Aussagen aber waren neu und ich konnte sie nicht mit mir in Einklang bringen. Was nun? Es kam für mich nicht in Frage, meine berufliche Entwicklung in eine Richtung zu lenken, die mir eine Persönlichkeitsanalyse von Dritten empfahl.

Also überprüfte ich die Aussagen in der Diskussion mit Familie und Freunden. Dabei überzeugten mich nicht deren Feedbacks – schliesslich waren diese wieder Fremdbilder – sondern die konkreten Beispiele, die sie mir zur Illustration nannten. In diesen persönlichen Erlebnissen konnte ich schliesslich meine Neigungen und Talente erkennen.

Warum also einen teuren Persönlichkeitstest machen, wenn ich die Resultate ohnehin durch eigene Beobachtung und Reflektion validieren muss? Ich lasse daher die Tests weg und gehe direkt in die Selbstbeobachtung, denn Selbsterkenntnis ist ohnehin nicht delegierbar.

#standortbestimmung #karriere #selbstbewusstsein

Interpretation von Standardabsagen

Standardabsagen sind eine Plage für Bewerbende. Wer schon welche erhalten hat, weiss, wie sie auf die Stimmung und das Selbstwertgefühl drücken können. Auch wenn Sie mit sorgfältiger Auswahl der Stellen und mit telefonischen Vorabklärungen die Zahl von Standardabsagen verringern können, sind diese nicht ganz zu vermeiden. Umso wichtiger ist, dass Sie sie richtig interpretieren.

Peter Näf

Es gibt für Unternehmen nachvollziehbare Gründe, Standardabsagen zu senden. Zum einen legt die schiere Menge an Bewerbungen aus Effizienzgründen eine Standardisierung nahe. Zudem sind bei einem grossen Rücklauf auf eine Stellenausschreibung viele «Standard-Bewerbungen» enthalten, bei denen sich Bewerbende wenig Mühe gemacht haben. Leider bewerben sich Stellensuchende oft auf zu viele Stellen und setzen auf Quantität statt Qualität.

Aus diesen und weiteren Gründen vermeiden Recruiter Diskussionen mit Bewerbenden, indem sie Absagen wie folgt formulieren: «Vielen Dank für Ihren interessanten Lebenslauf. Wir haben Bewerbungen erhalten, welche den Stellenanforderungen besser entsprechen. Daher…».

Schonen Sie Ihre Stimmung

Diese Formulierung fand eine Kundin immer wieder in Absagen vor. Sie hatte diese dahingehend interpretiert, dass sie für die Stelle nicht genüge. Der Ausdruck «besser geeignete Bewerbungen» hat sie unbewusst frei übersetzt in «bessere Bewerbende». Wenn sie Absagen so interpretiert, wird mit der Zeit ihr Selbstwertgefühl leiden, da sie denkt, sie sei nicht gut genug.

Als ich mir die Inserate der entsprechenden Stellen ansah, konnten die Absagen angesichts ihres guten Erfahrungshintergrundes nur bedeuten, dass Sie überqualifiziert war oder ihr möglicherweise sehr spezifische Kenntnisse fehlten. Die Absagen bedeuteten also in den meisten Fällen: «Sie sind zu gut für diese Stelle».

Es gibt auch Überqualifizierung!

Leider haben viele Bewerbende nicht auf dem Radar, dass sie mit zunehmender Berufserfahrung für immer mehr Stellen überqualifiziert sind. Bei vielen meiner hoch qualifizierten Kundinnen und Kunden ist dies der häufigste Absagegrund.

Oft höre ich den Einwand, die Unternehmen könnten doch froh darüber sein, mehr zu erhalten, als sie verlangten; sie könnten sich damit ein «Schnäppchen» sichern. Genau das kann wiederum ein Grund für Standardabsagen sein: Bewerbende sind erfahrungsgemäss schwer davon zu überzeugen, dass Unternehmen nicht mehr wollen, als sie tatsächlich brauchen.

Ich antworte auf den Einwand wegen dem «Schnäppchen» immer mit einer Analogie: Wenn ich einen Smart kaufen will, um gelegentlich in der Stadt Besorgungen zu machen, will ich keinen Rolls Royce haben. Würde ich ihn geschenkt kriegen, verkaufte ich ihn umgehend, denn: Er ist mir zu teuer im Unterhalt, zu kompliziert zum Fahren und er passt in keinen Parkplatz. Zudem wirkt er ohne Chauffeur furchtbar neureich;-)

#bewerbung #lebenslauf #motivationsschreiben

Die 3 wichtigsten Erfolgsfaktoren im Job-Interview sind…

Vorbereitung, Vorbereitung und Vorbereitung. Natürlich können Sie nicht wissen, welche Fragen Interviewer im Bewerbungsgespräch stellen werden. Aber über 80% der Fragen sind erwartbar und Sie können sich darauf einstellen. Damit haben Sie genügend freie Kapazität für unerwartete Fragen. Denn die Herausforderung im Stress eines Job-Interviews besteht darin, unseren beschränkten Arbeitsspeicher im Gehirn sinnvoll zu nutzen.

Peter Näf

Nachdem ich vor einigen Jahren über meine eigenen Aussagen in einem Radio-Interview erschrocken bin, gebe ich keine Interviews mehr. Was war passiert? Ich wurde für ein Gespräch zu einem Karrierethema bei einem privaten Radiosender eingeladen, und zwar sehr kurzfristig – das Interview fand wie üblich am Tag der Anfrage statt. Der Moderator hat mir das Thema nur sehr grob geschildert. Und er hat mir natürlich auch keine konkreten Fragen zur Vorbereitung abgegeben.

Die Entwicklung von Gedanken ist chaotisch

Als der Moderator mich im Studio interviewte, war ich etwas überrumpelt, da ich mit seinen Fragen nicht gerechnet hatte. Ich hätte in dieser Situation leicht abrufbare Plattitüden von mir geben können, die alle Zuhörenden schon gefühlt 100-mal gehört haben. Aber ich wollte etwas Substanzielles zum Thema beitragen und konnte daher nicht einfach drauflosreden. Trotz der anfänglichen Überraschung war ich nach der Aufnahme aufgeräumt und zufrieden; ich hatte das Gefühl, es sei gut gelaufen.

Als ich später die Aufnahme zugesandt erhalten habe, war ich entsetzt: Ich wiederholte mich dauernd. Wie war das möglich? Da ich meine Gedanken zum Thema während des Interviews entwickeln musste, sprach ich eher zu mir selbst und vergewisserte mich meiner Ideen durch Wiederholung. Ich habe mich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven angenähert. Die Zuhörerinnen und Zuhörer wurden damit Zeuge meiner Vorbereitung der Antworten. Das konnte nicht der Sinn des Interviews sein und hinterliess einen unsicheren Eindruck.

Trennen Sie Vorbereitung und Durchführung

Das gleiche Phänomen beobachte ich oft in Job-Interviewtrainings bei meinen Kundinnen und Kunden. Wenn sie bitte, mir eine Geschichte aus ihrem Berufsalltag zu erzählen, kann ich beobachten, was in ihrem Gehirn passiert:

Erinnern ist ein Abrufen von Informationen. Da diese dezentral gespeichert sind, senden die verschiedenen Hirnareale die Informationen in den Arbeitsspeicher. Wenn der unvorbereitete Kunde nun seine Geschichte erzählt, wirkt das anfänglich chaotisch, da er immer die Erinnerungsfetzen zum Besten gibt, die im Arbeitsspeicher ankommen. Nach einer gewissen Zeit scheint dann genügend Information vorhanden zu sein, um die Geschichte strukturiert zu erzählen – meist haben sie die Aufmerksamkeit der Zuhörenden aber bereits verloren. Wir können also nicht gleichzeitig erinnern und strukturiert erzählen.

Viele führen gegen Vorbereitung ins Feld, eine spontane Kommunikation sei damit nicht mehr möglich. Das Gegenteil trifft zu: Um spontan gut kommunizieren zu können, ist Vorbereitung unerlässlich. Darum bereitet niemand Kommunikation mehr vor als Kommunikationsspezialistinnen und -spezialisten, die dann ganz spontan wirken.

#jobinterview #bewerbung #storytelling

Wecken Sie keine schlafenden Hunde im Job-Interview!

Sie kennen vermutlich diese inhaltlich leicht geänderte Aufforderung von Paul Watzlawick: «Denken Sie jetzt nicht an einen Elefanten mit Schmetterlings-Ohren». Angesprochen ist damit unsere Unfähigkeit uns nichts vorzustellen, wenn wir einen Begriff hören. Leider ist die Missachtung dieses Prinzips in Job-Interviews genauso verbreitet wie die Kenntnis desselben.

Peter Näf

Vor einiger Zeit machte ich mit einem Kunden, der einen etwas wechselhaften Lebenslauf hatte, ein Job-Interviewtraining. Seine vielen Wechsel waren mir bei der Vorbereitung aufgefallen und ich beabsichtigte, ihn darauf anzusprechen. Da sich das Gespräch interessant entwickelte und er viel Spannendes zu erzählen hatte, habe ich nicht mehr an seine vielen Wechsel gedacht.

Genauer: Ich hätte sie vergessen, wenn er mich nicht daran erinnert hätte. Auf meine Frage, was ihm bei einem Arbeitsumfeld wichtig sei, antwortete er: «Ich will mich in einem Umfeld wohlfühlen und nicht mehr so oft den Job wechseln.» Schade für diesen Richtungswechsel in einem vielversprechenden Gespräch. Er hatte in mir den Hund geweckt, der sich anschliessend an seinen vielen Stellenwechseln festbiss.

«Versprecher» auch ohne Verneinung

Im Stress eines schwierigen Gesprächs machen wir oft unbewusst zum Thema, was uns am meisten beschäftigt. Wie kleine Kinder, die etwas Verbotenes getan haben, plappern wir das aus, was wir doch eigentlich verstecken wollten.

So sagte einer meiner Kunden im Outplacement, der sich mit seinem Alter sehr schwertat, auf meine Aufforderung, sich kurz vorzustellen: «Mein Name ist X und ich bin 50 Jahre alt». Als Top-Spezialist hätte sein Alter niemanden interessiert, wenn er es nicht selbst zum Thema gemacht hätte.

Um nicht im Stress genau die Themen anzusprechen, die Sie nicht thematisiert haben möchten, müssen Sie mit diesen vor dem Interview ins Reine kommen.

Die Macht der positiven Sprache

Die sprachliche Unsitte der Verneinung erzeugt nicht nur Bilder, die wir vermeiden möchten. Auch auf der rein sprachlichen Ebene sind die Formulierungen umständlich. Sie erfordern von den Zuhörenden Übersetzungsarbeit und ermüden dadurch. In unserem Beispiel bedeutet das: Er will oft den Job wechseln – nein, das will er nicht. Noch schlimmer sind doppelte Verneinungen in der Form von: «Ich bin nicht unflexibel». Die hier nötigen Übersetzungsschritte überlasse ich Ihnen gerne.

Formulieren Sie also möglichst positiv. Mein Kunde hätte sein Anliegen folgendermassen ausdrücken können: «Es ist mir wichtig, mich für ein Unternehmen langfristig engagieren zu können». Leider geben auch Schreibprofis diesbezüglich oft ein schlechtes Bild ab. Häufig halte ich beim Lesen eines Zeitungsartikels inne, da ein Satz im Kontext des bisher Gelesenen keinen Sinn ergibt. Beim erneuten Lesen stelle ich dann fest, dass ich das Wort «nicht» überlesen habe. Hätte ich den Widerspruch nicht (manchmal macht ein «nicht» absolut Sinn;-)) bemerkt, hätte ich genau das Gegenteil dessen verstanden, was der Schreiber ausdrücken wollte.

#jobinterview #coaching #bewerbung

Kintsugi – Modell für den Umgang mit Brüchen im Leben

Viele Menschen verstecken ihre Misserfolge und schmerzhaften Erfahrungen. Vor allem in der Bewerbung versuchen sie Ihre Karriere als Erfolgsgeschichte ohne Brüche darzustellen. Und dies, obwohl allen klar sein dürfte, dass bei sorglosem Segeln durchs Leben bei allzeit optimaler Witterung keine persönliche Entwicklung stattfände. Erfahren Sie, was Sie von der traditionellen japanischen Reparaturmethode Kintsugi über den Umgang mit Brüchen im Leben lernen können.

Peter Näf

Daniel Pink beschreibt in seinem Buch «Die Kraft der Reue», wie ein japanischer Shogun im 15. Jahrhundert unbeabsichtigt eine neue Keramik – Kunstform beförderte: Eine wertvolle chinesische Teeschale entglitt ihm, fiel zu Boden und zerbrach in mehrere Teile. Er sandte die Scherben zurück nach China zur Reparatur. Als er die geflickte Schale Monate später zurückerhielt, war er enttäuscht vom Resultat: Sperrige Metallklammern hielten die Schale zusammen – kein schöner Anblick.

Er war sicher, dass es eine bessere Methode geben müsste, die Schale zu reparieren und wandte sich an lokale Kunsthandwerker. Diese schleiften die Schnittstellen sorgfältig ab und klebten die Teile mit einer Mischung aus Lack und Gold wieder zusammen. Es ging ihnen nicht da-rum, den ursprünglichen Zustand der Schale wiederherzustellen, sondern sie in etwas Neues und Besseres zu verwandeln.

Es gibt kein Zurück

Auch wir würden gut daran tun, nach einem Bruch in unserem Leben etwas sorgsamer mit den Scherben umzugehen. Neigen wir nicht oft dazu, nach einem Misserfolg oder einer belastenden Erfahrung den Zustand vor dem Ereignis wiederherstellen zu wollen, als wäre nichts passiert?

Wie sich die Schale nicht wieder heil machen lässt, können wir das Rad des Lebens nicht zurückzudrehen. Und da wir Menschen vor allem in der Krise lernen, würden wir uns schlecht entwickeln, wenn uns nicht gelegentlich kleinere und grössere Probleme aus unserer Komfortzone holten. In der Rückschau stellen sich Krisenzeiten oft als ein Segen dar. Wir würden die mit zunehmender Lebenspraxis unvermeidliche Entwicklung nicht missen wollen.

Seien Sie stolz auf Ihre Bruchstellen

Auch wenn das Älter-Werden nicht hoch im Kurs steht und viele Menschen gerne ewig jung und unversehrt blieben: Unsere unausweichlichen Brüche im Leben lassen sich nicht unsichtbar machen, auch wenn wir uns noch so sehr bemühen, sie zu verschleiern, zu übertünchen oder glatt zu ziehen. Tragen wir daher mit Stolz unsere Schrammen, Narben und Falten – im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Schliesslich haben sie uns zu dem gemacht, wer wir heute sind; wir haben sie uns redlich verdient.

Gemäss Daniel Pink kam im 17. Jahrhundert Kintsugi so in Mode, dass die Menschen ihre Teeschalen absichtlich zerbrachen, um sie durch die Reparatur aufzuwerten. So weit brauchen wir die Analogie mit unserem Leben nicht zu treiben – dieses beschert uns von sich aus genügend Brüche, um richtig wertvoll zu werden.

#karriere #personalbranding #selbstbewusstsein

Jetzt aber mal «frei Schnauze» – bitte!

Bewerberinnen und Bewerber kommunizieren im Job-Interviewtraining oft dann am besten, wenn sie sich nicht «auf Sendung» wähnen. Würden sie mit Freunden so sprechen, wie sie es im Bewerbungsgespräch normalerweise tun, zeigten diese einen besorgten Gesichtsausdruck. Höchste Zeit, in der Bewerbung wieder zu kommunizieren wie Menschen und nicht wie Bewerbungsautomaten.

Peter Näf

«Ich habe meinen Bereich restrukturiert und sehr agil gestaltet, dabei habe ich viele Transformationsprojekte durchgeführt und Prozesse digitalisiert. Wichtig war mir dabei, ein Umfeld zu gestalten das divers ist und…oh Herr Näf – es ist so schwierig zu erklären, was ich genau gemacht habe…!!!». Dies war die verzweifelte Antwort einer Kundin, auf meine Frage im Job-Interviewtraining, was sie in den letzten Jahren beruflich gemacht habe.

Sie führte in einem internationalen Konzern mit vielen Tochtergesellschaften einen Geschäftsbereich. Ich fragte sie – ausserhalb des Job-Interviews – was denn so schwierig daran sei, mir über ihre Tätigkeit zu erzählen.

Kommunizieren Sie wie mit einer Freundin

Ihre Antwort lautete: «Stellen Sie sich vor: Ich habe vor fünf Jahren diese neu geschaffene Funktion übernommen. Die Mitarbeitenden in meinem Bereich bei den Tochtergesellschaften agierten bisher selbständig und haben nicht darauf gewartet, dass jemand aus dem Head Office in ihre Arbeitsweise Einblick nimmt. Als erstes habe ich mir zur Aufgabe gestellt, das Vertrauen meiner Mitarbeitenden zu gewinnen und dann gemeinsame Vorgehensweisen zu etablieren. Dies war schwierig, da sie weiterhin von den lokalen CEO’s geführt wurden …». Ohne es zu bemerken, hat sie mir beim Erklären, was das Erzählen so schwierig mache, ganz nebenbei ihre Geschichte erzählt. Damit hat sie meine ursprüngliche Frage beantwortet.

Dieses Phänomen beobachte ich oft: Wenn meine Kundinnen und Kunden mir als Peter Näf ihre Geschichten erzählen, verstehe ich jedes Wort; erzählen Sie mir diese in der Rolle eines Interviewers, verstehe ich nur Bahnhof.

Traktieren des Gesprächs mit Schlagworten

Genau das Gleiche passiert in der schriftlichen Bewerbungskommunikation: Bewerbende verfallen in ein «Buzzwording», eine Sprache, derer sie sich im zwischenmenschlichen Austausch nie bedienen würden. Die Tendenz hat noch zugenommen, seit viele Bewerbende davon ausgehen, die Auswahl neuer Mitarbeitender werde durch KI vorgenommen.

Mit folgendem Trick verbessern Sie Ihre Kommunikation in der Bewerbung: Erzählen Sie, was Sie bisher in Ihrem Berufsleben gemacht haben, was Sie bewegt, interessiert und motiviert. Und erzählen Sie NICHT, was Sie glauben, dass es Ihr Gegenüber gerne hören möchte oder denken, dass es momentan angesagt sei.

Ob Sie es glauben oder nicht: Interviewerinnen wollen mit realen, das heisst unvollkommenen Menschen sprechen und nicht mit perfekten Bewerbungs-Avataren.

#jobinterview #personalbranding #selbstmarketing

Es gibt keine negativen Emotionen

Wir unterscheiden meist zwischen positiven und negativen Emotionen: Freude oder Begeisterung versus Angst oder Wut. Macht diese Unterscheidung Sinn? Sind «negative» Emotionen schlecht und müssten wir sie zu vermeiden suchen? Viele Menschen sehen sich erhaben über Wut, Neid oder Eifersucht. Aber wären diese Emotionen sinnlos, hätten sie wohl kaum die Evolution überlebt.

Peter Näf

Ein Kunde von mir führte im Bereich Facility Management einen Haus Abwart, der eine ungenügende Leistung erbrachte. Da der frühere Vorgesetzte dies über Jahre geduldet hatte, fühlte er sich in seiner Position sicher. Mein Kunde hat mehrmals Gespräche mit ihm geführt und seine Leistung beanstandet – ohne Erfolg. Er wurde zunehmend wütend auf seinen Mitarbeiter und machte sich deswegen Vorwürfe. Ich konnte seine Wut verstehen und war erstaunt, dass er sich selbst wenig Verständnis entgegenbrachte.

Emotionen anerkennen und damit arbeiten

Auf meine Frage, was er von sich in dieser Situation erwarte, antwortete er: «Ich müsste in der Lage sein, dem Mitarbeiter meine Sichtweise verständlich zu schildern». Offensichtlich führte er den Misserfolg in den Gesprächen auf eine kommunikative Schwäche seinerseits zurück. In unserer Zusammenarbeit drückte er sich klar aus und die Art, wie er seinem Mitarbeiter sein Anliegen kommunizierte, war für mich nachvollziehbar.

Für mich ist die Wut wie ein kleines Männchen auf meiner Schulter, das mir ins Ohr schreit, wenn ich etwas Wichtiges übersehe. In der Betrachtung dieses Bildes erkannte mein Kunde, dass er sich als Vorgesetzter nicht respektiert fühlte, da sein Mitarbeiter ihn ins Leere laufen liess. Seine emotionale Reaktion konnte er mit seinem Selbstbild eines jederzeit ausgeglichenen Menschen nicht vereinbaren. Auch widersprach die Interaktion seiner Vorstellung, dass alle Meinungsverschiedenheiten in beiderseitigem Einvernehmen kommunikativ gelöst werden könnten.

Wir haben uns dann mit dem Ziel der Wut auseinandergesetzt, den persönlichen Raum – physisch oder im übertragenen Sinne – zu schützen, wenn wir mit unserem Verstand die Notwendigkeit dafür nicht erkennen.

Üben sie sich in Emotionsmanagement

Den Umgang mit eigenen und fremden Emotionen können wir lernen, indem wir ihre Sprache entschlüsseln. Dabei tun wir gut daran, auch die «kleinen» Emotionen wahrzunehmen: Beim ersten Gespräch mit seinem Mitarbeiter empfand mein Kunde vermutlich Ärger über dessen Verhalten. Das hätte er noch gut ansprechen können. Mit der Zeit entwickelte sich der Ärger über das Verhalten zur Wut auf die Person. Diese war nur noch mit professioneller Hilfe zu bewältigen.

So wie mein Kunde aus «negativen» Gefühlen etwas Positives schaffte – seine Bedürfnisse ernst zu nehmen – bringen «positive» Gefühle oft Negatives hervor: Aus lauter Begeisterung treffen wir eine unüberlegte Kaufentscheidung, die uns finanziell belastet oder wir plaudern in gelöster Stimmung Dinge aus, die wir besser für uns behalten hätten.

Gefühle, seien sie nun angenehm oder unangenehm, sind weder positiv noch negativ – sie sind neutrale Wegweiser, die uns durchs Leben navigieren, wenn wir sie richtig lesen.

#coaching #emotion #emotionsmanagement

Was sagt uns Hitchcocks «Die Vögel» zum Thema Kommunikation?

Kennen Sie Hitchcocks Schocker über die Attacke von Vögeln auf den Küstenort Bodega Bay unweit von San Franzisco? Als Filmliebhaber staune ich immer wieder, wie gut der Film gealtert ist. Er ist über 60 Jahre alt und überzeugt immer noch. Und dies, obwohl die Spezialeffekte im Vergleich zu dem, was wir uns heute gewohnt sind, geradezu unbeholfen wirken.

Peter Näf

Warum funktioniert der Film immer noch? Es hat mit seinem Storytelling zu tun. Die Charaktere im Film sind gut gezeichnet und erreichen uns, da sie Erfahrungen machen, mit denen wir alle in unserem Leben konfrontiert sind: Angst vor Verlassenwerden und Einsamkeit sowie Gefühle des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht.

Gäbe es ein Remake des Films – wir wollen es nicht wünschen – könnten wir vermutlich gemäss den neusten technischen Möglichkeiten in Nahaufnahme beobachten, wie Vögel auf Menschen einhacken. Ob der Film das gleiche Unbehagen auslösen würde, sei dahingestellt. Hitchcocks Genialität hat auf der Leinwand nicht alles gezeigt, sondern die Bilder in unseren Köpfen zum Leben erweckt.

Reale Menschen machen Geschichten aus

Und was hat das Ganze mit unserer Kommunikation zu tun? Ich beobachte, dass in verschiedenen Bereichen der Kommunikation die Technik als Hilfsmittel im Vordergrund oder vielmehr im Weg steht: Präsentationen basieren auf schön gestaltete Slides, möglicherweise mit eingebauten Filmausschnitten. Lebensläufe konzentrieren sich auf eine möglichst gefällige Aufmachung und beziehen neuste Technologien ein; früher waren dies CD’s oder Homepages, heute sind es Videoaufnahmen. Und was kommt dabei oft zu kurz? Der Mensch mit seinen Geschichten.

Ich erinnere mich an zwei Vorträge zum Thema «Philosophie im Arbeitsleben». Der erste Referent zeigte eine PowerPoint-Präsentation auf der Höhe der Zeit mit unzähligen Zitaten von bekannten Philosophen. Sein Nachreferent stand vor dem Publikum ohne jedes Hilfsmittel. Er erzählte während 15 Minuten eigene Erlebnisse, Gedanken und Emotionen: druckreif, humorvoll und persönlich. Das Publikum tobte.

Es ist die Story, die zählt – nicht die Technik

Es braucht Mut, sich in der Kommunikation persönlich zu zeigen und sich nicht hinter der Technik zu verstecken – aber es lohnt sich. Ob bei einer Präsentation, im Bewerbungsgespräch, im Lebenslauf, in der Führungskommunikation oder im Verkauf: Es sind immer Menschen wie Du und ich, die mit persönlichen Geschichten Interesse wecken. Und die beste Geschichte sind immer Sie selbst. Mit Ihren Erlebnissen kann sich jeder und jede identifizieren, denn wir sind alle mit ähnlichen Herausforderungen und Erfahrungen konfrontiert.

John Lasseter gilt als einer der besten Storyteller und hat 1996 für den Film «Toy Story» einen Academy Award erhalten. Pixar, für die er arbeitete, war und ist technisch führend. Er sagte: «Wir fokussieren uns auf die Story und verstecken die Technologie. Denn es ist nicht die Technologie, die Menschen unterhält, es ist das, was Du damit machst (…) Es geht darum, eine Verbindung zum Publikum herzustellen (…).» (Zitat aus dem Buch «Tell me!» von Thomas Pyczak)

#storytelling #personalbranding #jobinterview

Was macht Storytelling so effektiv? Bilder!

Es ist eine Binsenwahrheit, dass Bilder mehr sagen als tausend Worte. Wie aber gelingt es, in der Kommunikation bei ihrem Gegenüber Bilder zu erzeugen? Viele versuchen es durch eine möglichst bildhafte Sprache unter Verwendung vieler Adjektive. Einfacher funktioniert es durch das Erzählen persönlicher Geschichten, wobei Details Farbe in die Schilderungen bringen – Storytelling im besten Sinne.

Peter Näf

Reto (Name geändert) war ein Kunde von mir, der von seinem Unternehmen im Rahmen der Führungsentwicklung ein Coaching offeriert erhielt. Ziel war unter anderem die Verbesserung seiner Führungs-Kommunikation. Wir übten Storytelling und er erzählte mir folgende Geschichte:

Reto führte als Abteilungsleiter ein Team von fünf Mitarbeitenden. Eine längere Urlaubsreise stand bevor, die er seiner Frau und seinen Kindern seit langem versprochen, aber schon mehr als einmal aus geschäftlichen Gründen hatte verschieben müssen. Unvorhergesehen ergab sich erneut eine Terminkollision: In der Zeit seiner Abwesenheit wurde ein wichtiges Projekt fällig, welches grosse Sichtbarkeit auf Geschäftsleitungsebene hatte. Reto hat daher die Arbeiten minutiös geplant und gemäss den Stärken auf seine Mitarbeitenden aufgeteilt. Damit stellte er sicher, dass trotz seiner Abwesenheit alles rechtzeitig fertig würde.

Unvorhergesehenes erzeugt Dramatik…

Während seines Urlaubs tauchten bei einem jungen Mitarbeiter familiäre Probleme auf, die ihn aus der Bahn warfen. Reto konnte ihn nicht für längere Zeit freistellen, ohne das Projekt zu gefährden. Er hat daher regelmässig mit seinem Mitarbeiter telefoniert und ihn eng begleitet. Er erarbeitete mit ihm einen Plan, damit er sich genügend Zeit für seine privaten Angelegenheiten nehmen und trotzdem seinen Beitrag zum Gelingen des Projektes leisten konnte. Sein Team hat das Projekt erfolgreich abgeschlossen und die Feedbacks seitens der Geschäftsleitung waren hervorragend. Das Erfolgserlebnis im Team hat dem Mitarbeiter in der schwierigen privaten Situation Mut gemacht und er bedankte sich bei Reto für seine Begleitung.

Die Geschichte beeindruckte mich und zeigte einige Führungs-Qualitäten von Reto: Empathie, eine gute Mischung aus Menschen- und Sachorientierung, Belastbarkeit und Engagement.

…und Details bringen Farbe in die Geschichte

Wir optimierten die Geschichte, bis wir beide zufrieden waren. Das war viel Arbeit und Reto war erleichtert. Er seufzte und setzte unbewusst mit einem einzigen Satz der Geschichte die Krone auf: «Weisst Du Peter, es war es schon verrückt: ich sass an vielen Abenden, während meine Familie schon im Bungalow schlief, in Badehose und Hawaii-Hemd unter Palmen bei einem Bier und telefonierte mit meinem Mitarbeiter.» Das hat gesessen! Reto bei einem Bier unter Palmen ist das Bild, das ich heute noch erinnere.

Das Bild malte nicht er, sondern ich als Zuhörer vor meinem geistigen Auge, während er mir einfach seine Geschichte gut erzählte. Adjektive konnte er sich dabei sparen gemäss Georges Clemenceau, französischer Verleger und Staatspräsident, der in seiner Redaktion folgende Regel hatte: «Wenn Sie ein Adjektiv verwenden wollen, kommen Sie zu mir in den dritten Stock und fragen, ob es nötig ist.»

#storytelling #selbstmarketing #jobinterview

Warum müssen, wenn Sie auch wollen könnten?

Hören Sie sich selbst zu, wenn Sie sprechen? Belauschen Sie ab und zu ihre inneren Dialoge und Gedanken? Vielleicht stellten Sie dann fest, dass sich zuweilen ein unscheinbares Wort einschleicht; möglicherweise kennen Sie die folgenden oder ähnliche Sätze: «Heute muss ich noch Aufgabe X erledigen», «ich muss einen Freund anrufen», «ich muss heute Abend ins Theater gehen». Oder gar: «Ich muss noch schnell ins Yoga, um mich zu entspannen!»

Peter Näf

Das Wort «müssen» ist für viele Menschen ein dauernder Antreiber, vor allem wenn es sich mit Worten wie «kurz» oder «schnell» verbündet. Seit ich auf diese Formulierungen achte, staune ich, wie oft ich sie benutze. Kürzlich habe ich mich dabei ertappt, wie ich zu mir selbst sagte: «Ich muss noch schnell vor 18 Uhr einkaufen gehen, da morgen ein Feiertag ist». Diese Aussage verursachte mir augenblicklich leichten Stress.

Das Wort «müssen» macht uns zu Getriebenen; aber von wem? Früher waren es vermutlich äussere Antreiber wie Eltern, Lehrer oder Vorgesetzte. Mit der Zeit haben sich diese Stimmen in uns verselbständigt und treiben uns immer noch an, weil wir nicht gemerkt haben, dass wir inzwischen wollen dürften.

Freiheit beginnt mit der Sprache

Der Modus des Müssens zeigt sich auch im Storytelling: Eine Kundin kam zu mir ins Coaching, um ihr Selbstmarketing zu verbessern, da sie für eine Beförderung nicht einmal in Betracht gezogen worden war. Ich bat sie, mir ein Projekt zu schildern, welches sie erfolgreich durchgeführt hatte. Sie erzählte mir, wie sie kurz nach Stellenantritt einen Bereich neu aufgebaut habe. Dabei schilderte sie fast ausschliesslich in der «Wir»-Form: «Wir haben dann in Workshops herausgefunden, dass…» und ebenso in der Form des «Müssens»: «Ich musste dann mit verschiedenen Abteilungen verhandeln». Zwischendurch verwendete sie gar das «man» oder die passive Form: «Das Projekt wurde dann abgeschlossen». Nachdem sie die Geschichte beendet hatte, stellte ich ihr Fragen, um Ihre Leistung einordnen können, denn so spricht nicht, wer sich in der vollen Verantwortung sieht.

Es stellte sich heraus, dass das Projekt viel umfassender war, als von ihr dargestellt und sie hatte es von A-Z selbständig durchgeführt. Aus ihren «Wir»- Formulierungen schloss ich, dass nicht sie die Verantwortung trug und weil sie all ihre Aktionen tun «musste», ging ich davon aus, dass ihr jemand Aufträge erteilt hätte.

Werden Sie hellhörig!

Wir haben Ihre Geschichte umformuliert, damit sie sich in ihrer vollen Kompetenz und Verantwortung sah und ihre persönlichen Leistungen anerkannte. Erst nach dieser Selbsterkenntnis konnte sie ihren Erfolg relevanten Stakeholdern über Storytelling kommunizieren, damit auch sie meine Kundin in ihrer vollen Grösse sehen konnten. Selbstmarketing folgt dem Selbstbewusstsein auf dem Fusse.

Werden Sie hellhörig dafür, was Sie sagen oder denken. Und steuern Sie durch bewusste Umformulierungen Ihr Leben in die gewünschte Richtung. Dazu verwende ich einen Trick: Ich stelle mir vor, ich würde wie bei einem Kassettenrecorder zurückspulen und den alten Text mit neuem Text übersprechen. Wenn Sie dies oft tun, wird mit der Zeit auch unbewusst ein anderer Band Text ablaufen mit positiven Auswirkungen auf Ihr Leben, denn: Worte schaffen Wirklichkeit.

#personalbranding #coaching #storytelling