Im Bewerbungsgespräch geht es um Sympathie

Das Ziel der Recruiter ist es, in Bewerbungsgesprächen für eine Stelle die geeignetste Person zu finden. Es geht darum, eine möglichst objektive Entscheidung zu fällen und alles auszuschalten, was der sach-bezogenen Einschätzung im Wege steht. Daher darf Sympathie bei einer professionelle Mitarbeiterauswahl keine Rolle spielen! Ist das wirklich richtig?

Peter Näf

Recruiter und Hiring Manager neigen dazu, in Job-Interviews Bewerbende zu bevorzugen, die der eigenen Wesensart ähneln. Dies ist unter dem Namen Similar-to-me-Effekt bekannt. Um diesem Beobachtungs- und Beurteilungsfehler zu entgehen, wird der Rekrutierungsprozess nach möglichst objektiven Selektionskriterien gestaltet. Denn die Realität zeigt, dass Teams erfolgreicher agieren, wenn die Teammitglieder unterschiedlich, oder in neuer Terminologie, divers sind.

Sach- und Beziehungsebene

Bewerbende scheinen dies in Job-Interviews besonders zu beherzigen, indem sie möglichst neutral und professionell rüberkommen möchten. Die Persönlichkeit wird hinter einer professionellen Fassade versteckt. Dabei kommt allerdings eine Ebene zu kurz: Die Beziehungsebene, die in jeder zwischenmenschlichen Kommunikation neben der Sachebene besteht. Und dabei dominiert die Beziehungsebene (emotionale Ebene) die Sachebene (Verstandesebene). Wenn die Chemie zwischen zwei Menschen nicht gut ist, funktioniert auch der Austausch auf der Sachebene nicht. Daher beginnen Bewerbungsgespräche mit Small-Talk, um eine gute Gesprächsatmosphäre zu etablieren. Es werden Freundlichkeiten ausgetauscht; die Recruiter erkundigen sich nach der Anreise; Bewerbende bedanken sich für den freundlichen Empfang und machen Komplimente zu den schönen Räumlichkeiten, etc.

Und es geht doch um Sympathie

Da machen die meisten Bewerbenden noch mit, da es einer üblichen Aufwärmphase im Gespräch mit fremden Menschen entspricht. Wenn es dann ums inhaltliche Interview geht, vernachlässigen viele die emotionale Ebene. Sie kommunizieren mehrheitlich abstrakt und versuchen als reine Leistungsträger rüberzukommen. Sie beantworten Fragen so, wie es viele andere Bewerbende es auch tun. Ihre Persönlichkeit bleibt dadurch unsichtbar. Recruiter allerdings suchen keine abstrakten Fähigkeiten und Kenntnis-se, sondern Menschen mit bestimmten Erfahrungen und spezifischem Wissen. Sympathie als positive gefühlsmäßige Einstellung anderen Menschen gegenüber (Definition Duden) entsteht nur aufgrund von Übereinstimmungen. Wenn Bewerbende als Menschen mit ähnlichen Erfahrungen sichtbar werden, entwickeln Recruiter und Hiring Manager Sympathie. Daher sind Geschichten von bestandenen beruflichen Herausforderungen so effektiv. Auch Schilderungen von Enttäuschungen, aus denen man gelernt hat oder von Unzulänglichkeiten, mit denen man gelernt hat umzugehen, schaffen Resonanz.

Denn vergessen Sie nie: Auch Recruiter und Hiring Manager sind Menschen mit Stärken und Schwächen, mit erlebten Höhepunkten und Niederlagen, mit Ängsten und Unzulänglichkeiten. Und nichts könnte sie mehr frustrieren, als einem Menschen zu begegnen, der einfach makellos, nur erfolgreich und über allem erhaben ist.

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