Legen Sie all Ihre Assets in die Waagschale?

Eine erfolgreiche Stellenbewerbung setzt voraus, dass Sie die erforderlichen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse mitbringen. Viele Bewerbende vernachlässigen aber in ihrer Kommunikation Erfahrungen aus dem Privatleben, die auch beruflich interessant sein können. William Bridges bezeichnet sie in seinem Buch «Creating You & Co.» als «Assets».

Peter Näf

Ein eindrückliches Beispiel dafür habe ich mit einem Kunden erlebt, den ich beriet, als er auf einer Auslandentsendung für eine Schweizer Unternehmung in Hongkong tätig war. Er hatte einen abwechslungsreichen und im wahrsten Sinne des Wortes internationalen persönlichen und beruflichen Werdegang.

Aufgewachsen war er in einem lateinamerikanischen Land, wo er seine Grundausbildung absolvierte. Für das Studium ging er in die USA. Anschliessend war er für viele Jahre bei namhaften Unternehmen in der Schweiz tätig, zum Schluss bei der Gesellschaft, die ihn nach Asien entsandte.

Zeigen Sie Ihre ganze Geschichte

Er wollte zurück in die Schweiz und ich habe ihn daher per Skype zu seiner Bewerbung beraten. Ich wusste von der Person, die mich ihm empfohlen hatte, dass er lateinamerikanische Wurzeln hatte. In seinem Lebenslauf konnte ich dazu aber nichts finden. Als ich ihn darauf ansprach, reagierte er etwas empfindlich. Es sei nicht relevant, wo er seine Jugend verbracht hätte; schliesslich gehe es um die berufliche Erfahrung und diese sei in seinem Lebenslauf ersichtlich.

Ich war mit dieser Sichtweise nicht einverstanden. Aus meiner Erfahrung als Headhunter wusste ich, dass Lebensläufe am meisten aussagen, wenn sie vollständig sind und ein abgerundetes Bild ergeben. Und ich fand seinen internationalen Hintergrund sehr interessant; sich in vier unterschiedlichen kulturellen Umfeldern erfolgreich behauptet zu haben, ist das, was ich ein «Asset» im Sinne von William Bridges nenne.

Erfahrungen sammeln wir nicht nur im Beruf

Ein solcher persönlicher Hintergrund dürfte kaum je in einem Stellenanforderungsprofil verlangt werden. Und doch vermittelt mir das vollständige Bild unausgesprochen Informationen über den Bewerber, denn ich kann davon ausgehen, dass er folgende Stärken mitbringt: Verständnis für kulturelle Vielfalt, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Mut sowie die Fähigkeit, sich rasch in neuen Situationen zurecht zu finden. All dies hatte er sich ganz nebenbei in seinem aussergewöhnlichen Werdegang angeeignet.

Sein ganzes Bild zu zeigen, kommuniziert weit erfolgreicher persönliche Kompetenzen als wenn er sich im Lebenslauf unter der Rubrik «persönliche Stärken» als flexibel, multikulturell, mutig, etc. bezeichnen hätte.

Am Ende der Sitzung war er immer noch etwas skeptisch. Bei unserer nächsten Besprechung drei Wochen später eröffnete er mir, er hätte meinen Rat schliesslich doch befolgt. Er sei inzwischen mit einem Unternehmen im Gespräch, das sich speziell wegen seines lateinamerikanischen Hintergrundes für ihn interessierte.

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