Warum Stärken schlechte Karrierewegweiser sind

In ihrer Karrieregestaltung versuchen Menschen oft, von ihren Stärken auf mögliche Berufsbilder zu schliessen. Daher werden Persönlichkeitstests für die berufliche Orientierung eingesetzt. Bei einseitiger Begabung kann dies Sinn machen. So ist der Weg des mathematischen Genies vermutlich vorgezeichnet. In den meisten Fällen lädt der Schluss von Stärken auf bestimmte Berufe aber dazu ein, auf unbrauchbare Stereotypen hereinzufallen.

Peter Näf

Zur Konkretisierung sei hier vermerkt, dass ich von Stärken im Sinne von Soft Skills als natürliche Anlagen spreche. Dies sind Qualitäten, die in Ihrer Persönlichkeit angelegt sind. Ich gehe als Arbeitshypothese davon aus, dass diese zum Teil genetisch bedingt sind oder in frühen Lebensphasen erworben wurden. Ihre Anwendung fällt uns daher leicht. Demgegenüber erfordert es mehr Energieaufwand, Qualitäten zu leben, die uns naturgemäss weniger liegen. Unter Hard Skills verstehe ich, was wir uns an technischem und methodischem Wissen durch Ausbildung und Berufserfahrung aneignen.

Stärken betreffen nicht das «WAS»…

Stärken als Entscheidungskriterium für die Berufswahl heranzuziehen würde zum Beispiel bedeuten, einer empathischen Person zu raten, sich einer Tätigkeit im Sozialbereich wie Krankenpflege, Psychotherapie oder Sozialarbeit zuzuwenden. Dazu sage ich: Wenn Sie empathisch sind, tun Sie was Sie wollen! Sie können in den Verkauf gehen, Führungskraft, Finanzchefin oder CEO werden, Aktienhändlerin, Autor, Hunde-Friseur oder Kaninchenzüchterin. Stärken sagen nichts darüber aus, was Sie beruflich tun sollten; der Link von Stärken zu Berufen existiert nicht.

Allerdings gibt es umgekehrt eine Verbindung von gewissen Berufen zu bestimmten Stärken. Meiden Sie spezielle Berufe, wenn Sie nicht über die erforderlichen Anlagen verfügen: Feuerwehrfrau zu sein ohne Mut zu haben macht wenig Sinn. Ebenso wird kein guter Rechtsanwalt, wer nicht strukturiert denken kann. Und jemand mit meinem Nervenkostüm gehört nicht an die Börse. Aber den Grossteil der Berufe kann man so oder anders ausüben.

…sondern das «WIE» in Ihrer Karriere

Warum wird dann im Zusammenhang mit Karriere immer wieder von Stärken gesprochen? Weil die Kenntnis Ihrer Stärken wichtig ist und diese aufzeigen, wie Sie arbeiten.

Eine meiner Stärken ist Selbständigkeit. Daher hatte ich unabhängig vom Betätigungsfeld immer dann Erfolg, wenn ich selbständig arbeiten konnte. Seit über 25 Jahren bin ich in Berufen tätig, in denen ich Umsatz generieren und damit verkaufen muss. Nun wird Verkauf oft mit Extravertiertheit, Selbstbewusstsein und einer gesunden Portion Aggression verbunden. Ich hingegen bin introvertiert, selbstkritisch und harmoniebedürftig – und trotzdem habe überlebt, und nicht mal schlecht. Viele Berufsbilder sind stereotypisiert. Menschen lassen sich trotz Interesse davon abschrecken, weil sie glauben, von ihrer Persönlichkeit nicht dazu befähigt zu sein. Verkauf und Führung sind besonders anfällig für diese Denkweise.

Was Sie beruflich tun wollen, hängt von Ihren Interessen und Neigungen ab, wie Sie es tun, von Ihren Stärken. Lassen Sie sich von Stereotypen nicht von Ihrem Weg abbringen und tun Sie Dinge immer auf Ihre Weise.

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